Bericht aus dem Untersuchungsausschuss

Im öffentlichen Teil der Sitzung vom 21.05.2012 wurden die Zeugen Prof. Dr. Stephan Dorschner (ehem. Dez. für Familie, Jugend, Freizeit, Sport Jena) Reinhard Schwabe (Stadtverwaltung Jena) Gregor Lehnert (Innenstaatssekretär a.D.) Dr. Matias Mieth (ehem. Dezernent für Soziales und Kultur Jena) Franz Schuster (Innenminister a.D.) Dr. Hans-Joachim Jentsch (Justizminister a.D.) Harm Winkler (Präsident TLfV a.D.) Uwe Kranz (Präsident TLKA a.D.) Egon Luthardt (Leiter TLKA a.D.) Dr. Richard Dewes (Innenminister a.D.) Volker Schemmel (Staatssekretär im TJM a.D.) vernommen. Prof. Dr. Stephan Dorschner, Reinhardt Schwabe, Gregor Lehnert, Dr. Matias Mieth Die Stadt Jena war zwar frühzeitig mit dem Problem „Gewalt unter Jugendlichen“, aber auch rechter Gewalt konfrontiert, aber ein Konzept für Jugendarbeit bestand zunächst nicht. Erst ab 1995/96 (Schwabe) wurde mit der Erarbeitung eines Konzeptes begonnen. Ab 1992/93 seien in der Jugendarbeit drei Prämissen in der Arbeit mit rechten Jugendlichen verfolgt worden: 1. Keine politischen Gespräche, 2. Keine Ressourcen für rechte Gruppen / Personen, aber 3. Arbeit mit rechtsgefährdenden Gruppen. Das Thema „Rechtsextremismus“ habe man aber immer ernst genommen. Franz Schuster (Innenminister a.D.) Innenminister a. D. Schuster wies Fehlverhalten von Behörden in seiner Amtszeit von September 1992 bis Oktober 1994 zurück. Man sei vor schwierigen Aufgaben gestanden, wie die Gebietsreform und den Aufbau der Behörden wie TLfV, TLKA und den Polizeien. Hier musste man bei Null beginnen. Bereits ab 1991 sei immer freitags die Sicherheitslage besprochen worden. An dieser Sitzung nahm Herr StS Lippert, der Leiter LKA, der Präsident des TLfV, und weitere Behördenvorsteher teil, so dass Ereignisse tagesaktuell besprochen werden konnten. Es sei in der Anfangszeit schwierig gewesen entsprechendes Personal zu finden. In seine Amtszeit fiel neben dem Aufbau des TLfV schon bereits dessen personaler Umbau, so dass mit dem damaligen Präsidenten Winkler nicht verlängert wurde. Herr Schuster sagte im Rahmen der Befragung zur Einstellung von Herrn Dr. Roewer aus, diesen nicht gekannt zu haben. Eine Behandlung / Entscheidung über dessen Einstellung fiel im Kabinett, so dass er bei seinem Ausscheiden die Personalfrage geklärt sah. Dies war es wohl nicht, da im weiteren Verlauf, auch mit anderen Zeugen nicht geklärt werden konnte, wer Herrn Roewer letztlich einstellte. Angaben zur Willensbildung im Kabinett machte er unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG nicht. Er verwies auf einige Erfolge bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus, gab aber an, dass damals noch keine Gewaltkriminalität aus dieser Richtung feststellbar war. Ein Kommunikationsdefizit sehe er nicht, da doch alle an einem Tisch gesessen seien. Dr. Hans-Joachim Jentsch (Justizminister a.D.) Justizminister a.D. Jentsch berief sich auf seine Berichterstatter – Tätigkeit im Verfahren zum NPD – Verbot vor dem BVerfG und machte überwiegend keine Angaben. Zum Aufbau der Justiz führte er an, dass damals nach der Wende eine Notlage bestand die entsprechenden Stellen zu besetzen, da von 300 Richtern und Staatsanwälten vor der Wende ca. 150 ausschieden. So musste man die Juristen „herbeizaubern“. Aus diesem Grund bat man im Westen um Hilfe und viele junge Juristen aus dem Westen bauten die Justiz mit auf. Dabei gab es keine Strategie, die Stellen musste besetzt werden. Schwierigkeiten bereitete es vor der Gebietsreform auch Gerichtsstandorte festzusetzen. An der Sicherheitslage habe er nicht teilgenommen. Harm Winkler (Präsident TLfV a.D.) Der Präsident des TLfV Winkler von Dezember 1991 bis März 1994 sprach, nach einem zunächst reibungslosen Aufbau im ersten Jahr, von unhaltbaren Zuständen im TLfV. StS Lippert wollte gegen seinen Willen einen Mitarbeiter im TLfV installieren, was abgewendet werden konnte. Danach will er sich aber einem ständigen Widerstand ausgesetzt gesehen haben, da u.a. seine gesamte Arbeit extrem kritisch beäugt worden sei und ständig Berichte eingefordert wurden. Herr Schuster habe auch nicht auf seine Vermerke reagiert. Diese Vermerke habe er noch in seinem Besitz und stelle diese dem PUA zur Verfügung. Insgesamt sei nach seinen Worten an eine Sacharbeit nicht mehr zu denken gewesen. Es wären ihm auch keine strukturellen Konzepte des TIM bekannt gewesen. Er habe jedoch einen transparenten Verfassungsschutz im Gegensatz zum MfS angestrebt. Er führte weiter aus, dass „ganz gute“ Informationen beschafft wurden, die Sacharbeit aber insgesamt aufgrund der Querelen gelitten habe.  Das TLfV habe sich selbstverständlich mit extremistischen Gruppen beschäftigt, wobei damals noch keine Gewaltbereitschaft festgestellt worden sei und sich Strukturen erst gebildet hätten. In seiner Arbeit sei er behindert worden. Er verwandte dabei den Begriff „Reinregieren“. So wollte er z.B. gegen Christian Worch vorgehen, wobei ihm dann gesagt wurde, ob er nichts Besseres zu tun habe. Keine Abstimmung bestand in Personalfragen, da Leute eingestellt wurden, die seiner Ansicht nach fachlich und / oder menschlich für die Tätigkeit ungeeignet wären. So sei Nocken trotz Sicherheitsbedenken seinerseits eingestellt worden. Mit anderen LfVen sei die Zusammenarbeit nicht koordiniert gewesen, aber auf Konferenzen und Tagungen sei ein stetiger Erfahrungsaustausch erfolgt. Zur Personalie Roewer führte er aus, dass er nicht wisse wie dieser ins Amt gekommen wäre. Die Umstände der Verpflichtung stellten sich, nach Winkler, äußerst merkwürdig dar. Uwe Kranz (Präsident TLKA a.D.) Der ehemalige Präsident des TLKA von November 92 bis April 97 Kranz schilderte die Schwierigkeiten beim Aufbau des Amtes. So wurde z.B. die bayerische Struktur 1:1 auf Thüringen übertragen. Dabei soll es Zerwürfnisse im Aufbaustab gegeben haben. Der Zeitplan zur Errichtung soll sehr eng gewesen sein. Nach seinen Angaben habe der Staatsschutz eine wichtige Rolle eingenommen. So habe er auch vor dem Verfestigen rechter Strukturen gewarnt, da die Delikte sich von reinen Propaganda – Delikten zu Waffen- und Sprengstoff – Delikten, wenn auch anfangs „nur“ Attrappen, hin gesteigert hätten. Der THS sei erkannt worden. So wurden umfangreiche Ermittlungen zu § 129 StGB geführt worden. Dieses Verfahren wurde aber nach § 170 II StPO eingestellt, worüber man im Amt sehr traurig war. Die Entscheidung konnte nicht nachvollzogen werden. Herr Kranz sah das LKA Mitte der 90er als unterbesetzt an und bat um Personal. Die Zusammenarbeit mit dem TLfV, insbesondere mit Herrn Winkler, sei problemlos gewesen. Auch die Sicherheitslage sei grundsätzlich ein gutes Instrument gewesen. Bis 1995 wäre dies „top“ gewesen. Er führte aber aus, dass Herr Lippert „Hof gehalten habe“, dabei seien auch Leute „rund gemacht worden“, insbesondere Herr Winkler sei immer wieder dessen Ziel gewesen. Seinen Angaben zufolge begannen die Probleme in der Zusammenarbeit mit dem TLfV mit dem Amtsantritt von Roewer. Er machte dies an zwei Beispielen fest. Bei dem Rudolf-Heß-Marsch nach Worms sei das TLKA den Rechten hinterher gehetzt ohne Wissen, wohin der Marsch gehe. Er habe Roewer dann darauf hingewiesen, dass das TLfV Kenntnisse hiervon gehabt haben müsse, da doch V-Leute unter den Anmeldern seien.  Dies wurde von Roewer verneint. Das andere Beispiel betrifft die Nichtverlängerung einer wichtigen TKÜ - Maßnahme. Hier wurde der Verdacht geäußert, dass ein Mitarbeiter des TLfV im Vorfeld mit dem zuständigen Richter gesprochen habe.  In Besprechungen mit anderen Landeskriminalämtern soll die Sicherheitslage dargestellt worden sein. Egon Luthardt (Leiter TLKA a.D.) Der Zeuge Luthardt, Leiter des TLKA von April 1997 bis Anfang 2000, schilderte die Umstände seiner Berufung. Herr Dr. Dewes konfrontierte ihn quasi mit der Übernahme dieses Amtes. Er habe die Aufgabe dann jedoch mit Engagement übernommen und durchgeführt. Als schwierig bezeichnete er den Umstand, dass er über drei Jahre keinen Stellvertreter hatte. Darüber hinaus sei das Amt letztlich unterbesetzt gewesen und nur zu 2/3 besetzt. Eine Vielzahl der Beamten sei zudem noch sehr jung und unerfahren gewesen. Das Amt war zudem immer noch im Aufbau begriffen und auch durch die „Rotlicht“- und „Geheimnisverrat“-Affäre erschüttert.   Hinsichtlich der SOKO REX führte er aus, dass diese Anfang 1997 nach Durchführung von ca. 40 Ermittlungsverfahren und der Einstellung des Verfahrens zu § 129 StGB gegen Mitglieder der Anti-Antifa Ostthüringen / THS nach § 170 StPO aufgelöst wurde. Dies geschah seiner Ansicht nach mit Recht. Im weiteren Verlauf wurde dann die EG TEX eingesetzt. Zum 01.01.1998 wurde noch die ZEX eingerichtet. Hierüber erfolgte der Austausch der Informationen mit dem TLfV. Dies klappte im Rahmen von Konzerten und anderen Veranstaltungen sehr gut. Der Informationsfluss zurück an das LKA sei aber auch aufgrund von Quellenschutz an seine Grenzen gestoßen. Was auch an den gesetzlichen Regelungen gelegen haben möge. Im Jahr 1998 will Herr Luthardt mehrere Schreiben an das TIM gerichtet haben, dass er im Hause Probleme mit der Fach- und Dienstaufsicht habe. Als problematisch bezeichnete er auch, dass es in seinem Hause an Spezialisten gefehlt und eine Verunsicherung im Umgang mit dem TLfV geherrscht habe. Die Zusammenarbeit mit anderen Landeskriminalämtern fand im Rahmen der AG KRIPO halbjährlich statt. Im Bereich Staatsschutz trafen sich Kommissionen, die bundeseinheitliche Vorgehensweisen entwickeln sollten. Bestimmte Einzelfälle spielten dabei keine Rolle. Dr. Richard Dewes (Innenminister a.D.) Der Innenminister a.D. Dr. Dewes (November 1994 – November 1999) sagte aus, dass er Roewer bereits vorgefunden habe, stellte sich im weiteren Verlauf der Vernehmung stets vor ihn und bezeichnete diesen als fachlich geeignet. Er habe den Kampf gegen „Rechts“ aber auch gegen linksextremistische Bestrebungen immer betrieben. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass in seiner Amtszeit der Aufbau der Behörden (Polizei & TLfV) bei weitem noch nicht abgeschlossen war. Aber die Polizei war fachlich nicht auf Rechtsextremismus vorbereitet gewesen. Ebenso fehlte es an Erfahrung. Außerdem mussten die Polizisten der ehemaligen Volkspolizei zunächst geschult und fortgebildet werden. Dazu soll eine große Verunsicherung der Beamten bestanden haben. Den Bericht der Schäfer - Kommission kritisierte er an einigen Stellen. Dazu berief sich darauf, sich an bestimmte Ereignisse (z.T. 18 Jahre her) nicht mehr zu erinnern. Er schloss es aber nicht aus, vor „rechtsterroristischen Strukturen“ gewarnt zu haben. Ohne nähere Begründung ging er davon aus, dass Fach- und Rechtsaufsicht in den Behörden funktionierten. Dr. Dewes wies darauf hin, dass bei der Informationsweitergabe zwischen TLfV und dem TLKA die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten gewesen seien und stets eine Einzelfallentscheidung zu treffen gewesen wäre. In diesem Punkt kritisierte er den Schäfer - Bericht. Volker Schemmel (Staatssekretär im TJM a.D.) Staatssekretär im Justizministerium a.D. Schemmel machte keine weiterführenden Angaben mehr. Er verwies darauf, dass die Bekämpfung „rechter“ Straftaten immer sehr wichtig war.

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