Errichtung einer Stätte der Erinnerung und Mahnung für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds

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Die Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung, die sich selbst als "Nationalsozialistischer Untergrund" bezeichnete, wuchsen in Thüringen auf, radikalisierten sich im Freistaat und konnten von hier in den Untergrund gehen, von wo aus sie schreckliche Verbrechen wie Morde, Sprengstoffanschläge und Überfälle verübten. Obwohl diese Verbrechen in den Städten Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund, Kassel, Heilbronn und Köln verübt wurden, trägt der Freistaat dennoch Verantwortung gegenüber den Opfern Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.

In den vergangenen Jahren wurde in den Orten, in denen die Verbrechen des NSU verübt wurden, in unterschiedlicher Form den Opfern dieser Verbrechen gedacht. Alle diese Kommunen haben sich auf eine gemeinsame Inschrift an den Gedenkorten verständigt. Sie lautet: "Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen Städten ermordet: Neun Mitbürger, die mit ihren Familien in Deutschland eine neue Heimat fanden, und eine Polizistin. Wir sind bestürzt und beschämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren: Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie wieder!"

In Thüringen fand und findet die Aufarbeitung der Verbrechen des NSU im parlamentarischen Raum durch Untersuchungsausschüsse, auf künstlerischer Ebene durch Ausstellungen, Filmvorführungen und im wissenschaftlichen Raum einschließlich der politischen Bildung durch Fachveranstaltungen, Konferenzen et cetera statt. Auch die Einsetzung der Enquete-Kommission "Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie" begründet sich nicht zuletzt aus den Erfahrungen mit den Verbrechen des NSU.

Im Rahmen dieser Aufarbeitung der Verbrechen des NSU wurde immer wieder auf die schmerzhafte Erkenntnis aufmerksam gemacht, dass die Opfer und Betroffenen der Mord- und Sprengstoffanschläge teils bis zur Enttarnung des NSU am 4. November 2011 in Eisenach-Stregda aufgrund von auch rassistischen Vorurteilen innerhalb der Strafverfolgungsbehörden selbst als Täterinnen und Täter verdächtigt wurden. Eine zynische Umkehrung des Opfer-Täter-Verhältnisses, die sich ebenso wenig wiederholen darf, wie solche rechtsterroristischen Verbrechen.

Angesichts dessen muss es dem Freistaat Thüringen wichtig sein, im Land, aus dem das Kerntrio dieser Verbrechen stammte, nicht nur einen Ort der Erinnerung und Mahnung zu schaffen, sondern die Angehörigen der Opfer und Betroffenen der NSU-Verbrechen angemessen in den konzeptionellen Prozess bis zur Errichtung des Gedenkorts einzubeziehen. Die Errichtung des Gedenkorts darf nicht über die Köpfe der betreffenden Stadtgesellschaft hinweg, sondern muss mit ihr im Dialog, insbesondere den Akteurinnen und Akteuren, die stadtpolitische Verantwortung tragen, erfolgen.

Als Ort für die Erinnerung und Mahnung kommen mehrere Thüringer Städte in Betracht: Jena als Herkunftsort des NSU-Kerntrios und Ort der Radikalisierung, Saalfeld als politischer Sozialisationsort, Erfurt als Ort der politischen Aufklärung und Aufarbeitung sowie Eisenach, dem Ort der Enttarnung des NSU. Die Entscheidung über den Gedenkort soll zügig abgeschlossen werden und die benannten Zielstellungen mit beachten.

Konzeptionell sollte der Ort der Erinnerung und Mahnung den Bezug zu den bestehenden Opfer-Gedenkorten herstellen, insbesondere aber auf die den NSU-Verbrechen zugrunde liegenden Ursachen in Form von Rassismus und neonazistischer Ideologie und der unverzichtbaren Aufgabe, diesen Ursachen gesellschaftlich entgegenzutreten, hinweisen, um dem in Artikel 1 des Grundgesetzes verankerten Prinzip der Unverletzlichkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zur Durchsetzung zu verhelfen.