Sind Islam und Demokratie vereinbar, Herr Prof. Dr. Thumfart?

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Professor Dr. Alexander Thumfart

Anlässlich der aktuellen Diskussion um das Verhältnis von Islam und Demokratie haben wir Prof. Dr. Alexander Thumfart einige Fragen zum Thema gestellt. Er lehrt Politische Theorie an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt.

Ist „der“ Islam mit „der“ Demokratie vereinbar?

Ich würde vorschlagen, diese Frage einfach zu suspendieren und zu sagen, das ist die falsche Frage. So waren zum Beispiel Christinnen und Christen mehr als 1000 Jahre der Überzeugung, dass Christentum und Monarchie gut zusammengehen, Christentum und Demokratie hingegen gar nicht. Also: Das führt uns wirklich nicht weiter. Und die Diskussionen, dass und ob der Sufismus, die Schia des 16. Jahrhunderts, die Sunna des frühen 20. Jahrhunderts, ganz wunderbar demokratie-affin sind – oder demokratie-avers – ist  hier genauso irrelevant und nicht zielführend. Es wird 300 gut begründete Meinungen von hoch renommierten Forscherinnen und Forschern geben, die sich wechselseitig dementieren und uns gar nicht weiterhelfen. Wir sind dann so klug als wie zuvor.

Was wäre die bessere bzw. richtige Frage?

Wir sollten fragen, ob „der“ Islam privatisierbar ist. Das heißt: Lässt „der“ Islam als Religion und religiöse Überzeugung anderen „Systemen“ in der Gesellschaft Raum, damit sie ihre eigene Logik entfalten können? Anderen Systemen wie etwa der Jurisprudenz, der Ökonomie, der Bildung und auch der demokratischen Politik?

Finden Sie denn, dass „der“ Islam privatisierbar ist?

Ja, der ganz normale Alltag in Europa zeigt das ganz klar. Millionen von Muslimen und Muslimas (wie übrigens auch Millionen von Christinnen und Christen) haben keine Probleme damit, dass die Politik Regelungen trifft, die alle Bürgerinnen und Bürger betreffen, also etwa Schulpflicht, Steuern, Gerichtsverfahren, Strafen etc. Niemand, der muslimisch religiös ist, hält es für illegitim, dass eine Politik – und bei uns ist eben eine demokratische Politik – festlegt, dass am Freitag gearbeitet wird und dass Sonntag Ruhetag ist. Das aber heißt: „der“ Islam beansprucht nicht die Regelungen ALLER menschlichen Angelegenheiten, lässt anderen Sphären ihren legitimen Raum und ist daher privatisierbar.

Wie groß ist dann das „Private“?

Das bleibt natürlich diskutierbar und wird nie endgültig zu definieren sein. Und wir müssen mit dem muslimischen Vater reden, der sagt, dass seine Tochter nicht in den Sportunterricht darf. Das ist aber kein (islamischer) Angriff auf die Legitimität demokratischer Politik. Ganz im Gegenteil: Der banale Alltag in Deutschland belegt, dass Islam und Demokratie ganz wunderbar vereinbar sind.

Können Sie uns zusammenfassend die zwei wichtigsten Punkte nennen, die Sie als  Professor für politische Theorie stark machen möchten?

Zum einen, dass die Frage, ob der Islam mit der Demokratie vereinbar ist, nicht hilfreich und letztlich falsch ist. Sie führt uns in die Irre. Zum anderen, dass jeder Tag in Europa zeigt, dass der Islam privatisierbar ist und der demokratischen, pluralistischen Politik ihren völlig legitimen Raum lässt. Demokratie und Islam sind auf dieser Basis gar kein Problem. Sie gehen wunderbar zusammen. Und mehr braucht es nicht. Es braucht keine Aussage des Propheten, dass die parlamentarische Demokratie toll ist.

Interview: Deborah Zurek