Interview von Madeleine Henfling mit unserer Delegierten Doreen Denstädt zur Bundesversammlung

Dezemberplenum

Im Dezemberplenum 2021 haben wir Doreen Denstädt als unsere Delegierte für die am 13. Februar 2022 stattfindende 17. Bundesversammlung gewählt. Wir freuen uns, dass sie uns bei der Bundesversammlung vertreten wird! Doreen ist engagierte Kommunalpolitikerin, Sprecherin der LAG Innenpolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Mitglied der BAG Recht und Demokratie. Sie ist zudem die einzige Schwarze Polizistin in Thüringen. Heiko Knopf und Julia Ströbel sind ihre gewählten Stellvertreter*innen.

Vor der Bundesversammlung hat unsere Parlamentarische Geschäftsführerin, Madeleine Henfling, mit ihr über Persönliches aber auch Politisches gesprochen.

Liebe Doreen, wer bist du und was machst du beruflich?

Mein Name ist Doreen Denstädt und da diese Frage den meisten Leuten zuerst einfällt, ich bin in Saalfeld geborene Thüringerin. Abgesehen von einem kurzen Aufenthalt zum Studium in Sachsen, wohne und lebe ich in Erfurt. Ich arbeite als Polizeibeamtin der Thüringer Landepolizei im Innenministerium und dort in der Polizeivertrauensstelle. Nebenbei studiere ich im Masterstudiengang Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt.

Wie bist du zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gekommen?

Tatsächlich hat Nico Paul, ein lieber Freund und alter Schulkamerad, die richtigen Argumente gefunden. Er ist selbst ein aktives Parteimitglied. Das Grüne Politik für Veränderung und einem sturen „weiter so“ entgegensteht, habe ich zwischenzeitlich auch selbst erkannt. Aus der Berufsvereinigung PolizeiGrün wusste ich, dass „Grün“ vor allem für einen progressiven Wandel im Bereich der Sicherheitsbehörden steht. Damit war der Sprung zu Bündnis 90/ Die Grünen nicht mehr so weit. Momentan bin ich Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Innenpolitik und Delegierte der Bundesarbeitsgemeinschaft Recht und Demokratie. Lokal engagiere ich mich als sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Ordnung, Sicherheit, Ortsteile und Ehrenamt der Stadt Erfurt.   

Die Bundesversammlung wird nicht nur als das größte, sondern auch als das wohl vielseitigste politische Organ in Deutschland bezeichnet. Wie fühlt es sich an, Teil dieses Gremiums zu sein?

Ich bin noch immer überwältigt und kann meine Freude nur schwer in Worte fassen. Kurz, ich freue mich sehr, Teil eines so außergewöhnlichen politischen Organs zu sein. Außerdem bin ich auf den Austausch mit anderen Mitgliedern des Gremiums gespannt.

Du bist als einzige Schwarze Polizistin in Thüringen Teil der Thüringer Polizeivertrauensstelle und engagierst dich gleichzeitig in der Kommunalpolitik u.a. gegen Rassismus. Erste Frage: Wie sieht dein Arbeitsalltag in der Polizeivertrauensstelle aus? Wie arbeitet die Polizeivertrauensstelle? Zweite Frage: Wie wichtig ist dir die Repräsentation Schwarzer (Ost)deutscher bei der Bundesversammlung und was erwartest du von der neuen Bundesregierung in diesem Zusammenhang?

An die Polizeivertrauensstelle können sich alle Bürgerinnen und Bürger wenden, die bezüglich einer polizeilichen Maßnahme Fragen oder Erörterungsbedarf haben. Auch Lob an oder Fehlverhalten von Polizeiangehörigen kann bei uns mitgeteilt werden. Darüber hinaus stehen wir auch zivilgesellschaftlichen Vereinigungen beratend zur Verfügung und unterstützen mit unserem Fachwissen in verschiedenen lokalen und überregionalen Netzwerken. Mein Fokus liegt oft, aber nicht ausschließlich auf migrationspolitischen Themen, unter anderem dem Thema Rassismus.

Als Schwarze Ostdeutsche ist mir eine Repräsentation und somit Sichtbarmachung bei der Bundesversammlung sehr wichtig. Von der neuen Bunderegierung wünsche ich mir, dass von Rassismus betroffene Personen ernst genommen werden und wirksame Maßnahmen in Aus- und Weiterbildung etabliert werden, die mit den Bedürfnissen der Betroffenen ausgehandelt sind. Ganz kühn wünsche ich mir den Abschied von der Symbolpolitik und evidenzbasierte politische Akte.

Die Bundesversammlung findet dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie auch unter besonderen Umständen statt. Um die 1472 Delegierten vor Infektionen in einem überfüllten Bundestag zu schützen, wird die Bundesversammlung nun im Paul-Löbe-Haus auf mehreren Etagen stattfinden, außerdem wird auf den Empfang nach der Wahl verzichtet. Welche Gedanken aus dem Alltag der letzten zwei Jahre in der Pandemie nimmst du zu der Wahl mit?

Ganz entscheidend für mich ist eine Abkehr von populistischen Schnellschüssen. Das Brüllen lauter Parolen bringt uns meiner Meinung nach nicht weiter. Besonnener Umgang miteinander und eine Rückkehr zum Dialog wünsche ich mir nach zwei gefühlt sehr chaotischen pandemischen Jahren am meisten.

Es wird dieses Jahr der bisherige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) höchst wahrscheinlich zu seiner zweiten Amtszeit wiedergewählt. Was hältst du persönlich von ihm und wie blickst du auf eine mögliche weitere Zeit als Bundespräsident?

Ich schätze seinen unaufgeregten, sachorientierten politischen Standpunkt. Für mich ist er eine Größe, die im demokratischen Prozess Stabilität gibt. Gerade die Pandemie hat uns allen unsere Verletzlichkeit aufgezeigt und persönlich viel abverlangt. Ich würde mir zukünftig mehr Präsenz und damit Sicherheit von unserer/unserem künftigen Bundespräsident*in wünschen.

Doreen Denstädt ist als einzige Schwarze Polizistin in Thüringen schon an sich eine Besonderheit. Unserer Fraktion ist es wichtig, Menschen sichtbar zu machen, die in Berufen arbeiten, in denen sie eine Minderheit darstellen. Darüber hinaus ist sie aber mit ihrem enormen Engagement in der Polizeivertrauensstelle auch ein wichtiger Garant für die Veränderung, die in der Institution Polizei notwendig ist. Sie steht aus unserer Sicht für eine neue Fehlerkultur und für die Öffnung der Polizei. Dafür bedarf es viel Mut und Durchhaltevermögen. Wir wollen mit ihrer Entsendung in die Bundesversammlung diesen Mut und ihr Engagement würdigen und sichtbar machen!

Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß bei der Bundesversammlung liebe Doreen!

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