Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss

Im öffentlichen Teil der Sitzung am 09.10.2012 wurde der Zeuge Jürgen Schaper (ehemals TIM) vernommen. Der Zeuge Jürgen Schaper ist 68 Jahre alt, verheiratet und Ministerialrat im Ruhestand. Er war seit 1975 im Bereich des Verfassungsschutzes tätig. Im April 1992 kam er aus dem BfV nach Thüringen und wechselte im November 1993 wieder zurück in das BfV. Nach Thüringen ging er auf Bitten des damaligen Vizepräsidenten des BfV und des damaligen Staatssekretärs Lippert. Er war Leiter des Referats im TIM für die Aufsicht über das TLfV. Neben der Aufsicht machte er auch noch Öffentlichkeitsarbeit. Die Hauptaufgabe bestand darin vernünftiges, gestandenes Personal zu bekommen und rechtsextremistische Gruppen, ein Problem nicht nur in Thüringen, zu überwachen. Personal für und in Thüringen war sehr schwer zu bekommen. Die Ursache lag zum einen in politischen Gründen, da keine Mitarbeiter aus dem MfS kommen sollten. Zum anderen sollten aber "Thüringer Landeskinder" eingestellt werden. Die Aufbauphase des TLfV lief von 1990 bis Ende 1994. Das BfV leistete Hilfestellung. Hilfe kam auch von den Partnerländer Thüringens Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Roewer sei wohl vom damaligen Abteilungsleiter Dr. Heuer vorgeschlagen worden. Zu dessen Einstellung selbst könne er keine Angaben machen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Thüringen war. Die Personalführung von Winkler stand in der Kritik. So hätten sich Mitarbeiter des TLfV über zwei Abteilungsleiter im TLfV beschwert. Jedoch sei Winker, bis zum Zeitpunkt als der Zeuge Thüringen wieder verlassen habe, nie wegen Personalbeschwerden auf ihn zugekommen. Von einem "Reinregieren" kann nicht gesprochen werden. StS Lippert war jederzeit ansprechbar. Möglicherweise bereitete es manchen Schwierigkeiten, dass Lippert Mitarbeiter auch um Mitternacht noch ins Büro zitierte, wobei dieser auch Personalentscheidungen treffen kann. Er habe jedenfalls niemanden zu sich „zitiert“. Herr Nocken war in jedem Falle qualifiziert. Er habe diesen aber nicht empfohlen, da er ihn gar nicht kannte. Zu den vorgehaltenen Beschwerden Winklers führte er aus, dass dieser wohl eigene Personalentscheidungen treffen wollte. Er habe ihm immer gesagt, dass man qualifizierte Leute benötige. Er habe das Personal nicht ausgesucht. Es gab wohl zwei oder drei, die er vorgeschlagen habe. Es ginge ihm aber stets darum "gestandenes Personal" zu bekommen. Er wisse nur noch, dass Winkler zwei bestimmte Mitarbeiter behalten wollte, obwohl diese ihre Aufgaben nicht erfüllen konnten. Personal habe er nicht eingestellt. Geeignetes Personal war vorhanden. Man kann aber nicht in der Pauschalität wie Roewer sagen, dass im TLfV alle fachlich ungeeignet waren. Mit dem vorhandenen Personal konnte man gut arbeiten, aber es waren auch "Luschen" dabei. Man dürfe auch die zeitlichen Umstände nicht aus dem Blick verlieren, da man sich ja in der Aufbauphase befand. Probleme habe er stets mit Winkler besprochen und versucht diese zu klären. Schriftliche „Erlasse“ habe er nicht gefertigt. Falls keine Klärung möglich war, sei er zu StS Lippert gegangen. Nunmehr verstehe er auch folgenden Vorfall. Winkler habe ihn in dessen Urlaub in Schwerin, wo der Zeuge tätig war, bei einem zufälligen Treffen angesprochen. Dabei habe er ihm vorgeworfen, dass er schuld sei, dass Winkler nicht Präsident des TLfV geworden sei. Er sei erstaunt, was Herr Winkler ihm gegenüber vorwirft, zumal er diesen als netten Menschen kennengelernt habe. Man habe sich untereinander auch nicht verbal geschlagen. Zwar sei er als stellvertretender Leiter des TLfV im Gespräch gewesen, aber es nicht geworden. Ursache hierfür seien die "Magdeburger Affäre" und die Krankheit seiner Frau, die in Köln gewohnt habe. Er hätte für sich eine Anwesenheitspflicht in Erfurt gesehen, was aber deswegen nicht möglich war. Zum Untersuchungsausschuss in Sachsen-Anhalt gab er an, dass er nicht rechtswidrig gehandelt, sondern sich immer an Recht und Gesetz gehalten habe. Diese Informationen seien ihm untergejubelt worden. Er habe niemals gegen einen Minister ermittelt. Auf die Frage, ob er Personalkonzept für das TLfV erstellt habe, antwortete er, dass ihm dies nicht erinnerlich sei. Die Personalaufstellung und Organisation erfolge in der Regel analog der Struktur des BfV. Ein solches Konzept vom 18.10.1993 wird dem Zeugen vorgehalten, in dem bestimmte Personen als Abteilungsleiter im TLfV vorgeschlagen werden. Es werden Defizite im Amt bis 30.06.1993, u.a. Fehlplanungen, beschrieben. Das Papier sei ihm nicht mehr erinnerlich. Aber er habe es wohl verfasst, was er nicht in Abrede stelle. Der Vorschlag Roewer kam von Dr. Heuer. Wenn Dr. Heuer einen solchen Vorschlag mache, könne dieser eine besondere Person sein. Er persönlich kannte Roewer nicht. Der Name Nocken wurde ihm eventuell auf einer Tagung zugetragen. Den Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens kannte er nicht. Man müsse die Einstellungspraxis aus der Zeit heraus betrachten. Selbst wenn augenscheinlich die entsprechenden Qualifikationen nicht vorliegen würden, habe man ein Gespür dafür, ob jemand die Aufgabe erfüllen könne. Das Personalproblem sei laufend in den richtigen Orten und Gremien besprochen worden. Passiert sei aber nichts. Jedoch könne man kann niemanden zwingen in den "Osten" zu gehen. Ausschreibungen waren nicht erforderlich, da u.a. auf Tag die Personalprobleme stets angesprochen wurden. Als Aufsichtsreferent habe man mit operativen Vorgängen nichts zu tun und dürfe dies auch nicht. Nur wenn etwas schief gegangen sei, dann kümmere man sich darum. Er habe Winkler nicht ausspionieren lassen. Falls Winkler durch entsprechende Personalentscheidungen diesen Eindruck hatte, so sei dies dessen Meinung. An der „Sicherheitslage“ haben die Leiter des TLKA und des TLfV sowie der damalige Leiter der Abteilung 2 teilgenommen. Ab und zu sei er auch dazu gerufen worden. Für die Zusammenarbeit des TLfV mit der Polizei diente die Sicherheitslage als steuerndes Instrument, über die auch Informationen in die jeweiligen Behörden flossen. Ebenso sei hier die RiStBV heranzuziehen. Er wies nochmal darauf hin, dass das TLfV im Vorfeld von eventuellen Straftaten und zur Beobachtung tätig wird, während die Polizei in der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zum Einsatz kommt. Er habe keine laufenden Berichte aus dem TLfV angefordert. Dazu sei das Amt nicht in der Lage und würde es überfordern. Gravierende Ereignisse habe er sich berichten lassen, um dann entsprechend handeln zu können. Dem Zeugen wird ein Schreiben vom 16.03.1993 vorgehalten, bei dem es möglich ist, dass es von Schaper stamme und dessen Name geschwärzt ist. Er räumt ein, dass unter dem Schreiben „Schaper“, aber keine Unterschrift stehe. Dieses Schreiben sollte ihm möglicherweise vorgelegt werden, sei es aber wohl nicht. Ihm sei das Schreiben nicht erinnerlich. Roewer sei ihm in diesem zeitlichen Zusammenhang (16.03.1993) auch nicht erinnerlich. Roewer war frühestens September 1993 ein Thema. Er habe die Problematik des Rechtsextremismus, die auch im Westen bestand, gesehen und davor auch in Schulen mit Vorträgen gewarnt. Dieses Spektrum nahm über 50% bis zu 70% des Arbeitsanfalls in Beschlag. In den neuen Bundesländern zeichnete sich die Szene stärker als in den alten Bundesländern durch hohe Aggressivität aus. Vorfälle wie in Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen durften in Thüringen nicht passieren. An Strukturen fand er Parteien vor. Vereine mit entsprechenden Organisationsstrukturen wurden aufgrund der Vereinsverbote nicht mehr gegründet. Um gegen die Szene vorzugehen, müsse man erst in diese reinkommen. Eine Verfestigung der Strukturen habe sich zu seiner Zeit in Thüringen nicht abgezeichnet. Damals habe es keine rechtsterroristischen Organisationen gegeben. Es gab keine einzelne Gruppe, die durchgehend Anschläge wie die RAF verübt habe. Bislang habe er es nicht so gesehen, dass einzelne Taten verschiedener Gruppen oder Täter insgesamt als Rechtsterrorismus zu werten sein könnten. Als er von den Morden gehört habe, hätte er gedacht, dass dies nicht aus der rechten Szene stammen könne. Bei V-Leuten bestünde die Schwierigkeit darin zu erkennen, ob diese die Wahrheit sagen. Man könne es nicht ausschließen, dass V-Leute straffällig werden. Die Beschaffung habe keine Information zu Straftaten von V-Leuten. Dies sei Sache der Auswertung. Er könne nichts dazu sagen, ob das TLKA V-Leute in der rechten Szene führte. Er sei ziemlich sicher, dass das TLKA solche Leute geführt habe. Das TLKA wäre „schön dumm“, dies nicht zu tun. Im Aufsichtsreferat waren vier Mitarbeiter beschäftigt. Seine Ansprechpartner waren Dr. Heuer, StS Lippert und Winkler im TLfV, da man den Amtsleiter nicht übergehen könne. Seinen Nachfolger im TIM kenne er nicht. Er habe an Dr. Heuer übergeben. Sollte er das TLfV in seiner Zeit mit einer Schulnote bewerten, vergebe er eine 4 bis 4-.

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