Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss

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Im Sitzungstermin des UA 5/1 am 10.06.2013 wurden im öffentlichen Teil der Sitzung die Zeugen

• Sven Trilus (TIM)

• Robert Ryczko (TIM)

• StS a.D. Gregor Lehnert (ehemals TIM) vernommen.

Sven Trilus (TIM) Der Zeuge Sven Trilus ist 48 Jahre alt, verheiratet und Polizeibeamter. Er ist seit 20 Jahren im TIM im Bereich Staatsschutz tätig. Der erste Bericht zu den Vorgängen am 26.01.1998 an das TIM vom 12.02.1998 barg in sich Widersprüche, so dass ein weiterer Bericht beim TLKA angefordert worden sei. Der Ablauf der Maßnahmen sei nicht nachvollziehbar. Als Beispiel stellte der Zeugen den Umstand heraus, dass die Kräfte die Garagen nicht zeitgleich betreten hätten. Aber auch aus dem zweiten Bericht vom 23.02.1998 hätte man u.a. das Verschwinden von Böhnhardt sowie den gesamten Ablauf der Maßnahmen nicht nachvollziehen können. Der zweite Bericht sei jedoch schon aussagekräftiger und auch länger gewesen. In der dritten Vorlage vom 19.03.1998 kommt zum Ausdruck, dass die Polizei grundsätzlich ordentlich gearbeitet habe. Es aber durchaus Kritikpunkte gäbe. Da er kurz darauf regulär nach Gera abgeordnet worden sei, wisse er aber nicht, ob dieser Vermerk dem Staatssekretär vorgelegt wurde. Bei ihm sei - während der Abordnung in Gera - nicht nachgefragt worden, aber er sei sich sicher, dass der Vorgang weiterbearbeitet und an höhere stellen weitergeleitet wurde. Der damals amitierende Polizeipräsident habe ihm versichert, dass der Vorgang ausgewertet worden sei. Er habe keine Veranlassung an den Worten des Präsidenten zu zweifeln. Er empfinde es als widersinnig, dass die Polizei den Vermerk des TLfV über den Fund der Garage aufgrund der Einstufung nicht verwenden durfte und konnte, wenn diese schon den Auftrag zur Observation gegeben habe. Selbst wenn damals kein Haftgrund vorgelegen hätte, so hätte die Polizei die Möglichkeit gehabt, niedrigschwelligere Eingriffsmaßnahmen anzuwenden, z.B. Freiheitsbeschränkungen. Diese Ansicht war damals schon, auch im TIM, die herrschende. Die beteiligten Polizisten sähen dies natürlich anders. Er habe zur damaligen Zeit eine Festnahme oder ein Festhalten von Uwe Böhnhardt befürwortet. Im November 2011 habe er von Matczak´s Aussage erfahren, wonach Böhnhardt bei Fund der Rohrbomben noch anwesend gewesen war. Die Drei waren im TIM immer ein Thema. Für ihn war es bis November 2011 nicht vorstellbar, dass drei Menschen in Deutschland untertauchen konnten. Ein Kollege aus Jena kannte Matczak, der bei der Durchsuchung in 1998 dabei war. Man habe diesen gebeten, den Vorgang zu schildern, und dann habe man die Erklärung der Schäfer – Kommission zugeleitet. Im TIM sei die Angelegenheit nach Auffliegen des NSU im Referat besprochen worden, da man naturgemäß Interesse an der Sache hatte. Der Vorgang hatte entsprechend große Rolle gespielt, da es eine Anfrage des MdL Kölbel und eine Innenausschusssitzung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchsuchung gab. Die Abgabe einer dienstlichen Erklärung von Herrn Matczak kann von den Personen verlangt werden, die Disziplinargewalt über Herrn Matczak haben, z.B. der Innenminister, Staatssekretär, etc., von ihm jedoch nicht. Es sei eine Bitte gewesen, den Vorgang aufzuklären. Auf das Gespräch mit Herrn Matczak musste er sich nicht gesondert vorbereiten, da ihm der Sachverhalt bekannt gewesen sei. Die Aussage von Herrn Matczak war einzigartig, da sie im Widerspruch zu den anderen Schilderungen stand. Er habe sich mit mehreren Personen, die mit der Sache befasst waren, unterhalten, diese Gespräche aber nicht verschriftlicht. Ihm sei es um die Aufklärung der Angelegenheit gegangen. Herr Matczak hätte keinen Grund gehabt, die Unwahrheit zu sagen. Er gehe davon aus, dass dieser zumindest nicht bewusst die Unwahrheit ausgesagt habe. Herr Matczak hätte keinen Belastungseifer. Im TIM habe niemand nach dessen Glaubwürdigkeit gefragt. Weitere dienstliche Erklärungen folgten nicht, da die Schäfer-Kommission eingerichtet worden sei. In die Durchsuchungsmaßnahmen sei sein Referat nicht eingebunden gewesen, was im Vorfeld auch nicht üblich sei. Jedoch waren im TIM bereits die „Theater-Bombe“ & der „Puppen-Torso“ ein Thema. Er betonte nochmals, dass der Fall der Drei für sie ein besonderer Fall gewesen sei. Gerüchte, wo diese sich aufhielten, habe es immer wieder gegeben. Die Verjährungsfristen seien nicht Thema im TIM gewesen, da die Zuständigkeit hierfür beim TMJE liege. Polizei und TLfV sollten gut zusammenarbeiten. Das TLfV dürfe jedoch nicht ermitteln, aber bei Observationen Hilfestellung leisten. Zur Anforderung von Unterstützungskräften führte er aus, dass die entsprechende Anforderung bereits damals über das Ministerium zu erfolgen hatte, jedoch nicht über ihn. Ab und an habe er auch Kenntnis von internen Ermittlungen erhalten, habe jedoch keinen Überblick über die einzelnen Verfahren. Er wunderte sich über den Verbleib der Akte zur mündlichen Anfrage zum Trio, die die Standardakte zu diesem Verfahren wurde. Diese sei nicht mehr vorhanden. Ob diese Akte im Rahmen der Regelungen ausgesondert wurde oder nicht, konnte er nicht darlegen. Regelungen zur Aktenvernichtung gebe es auch im TIM. Zu solchen Vorgängen werden Aussonderungsvermerke gefertigt. Er sei sich aber nicht sicher, ob ihm ein solcher Vermerk vorgelegt worden sei.

Robert Ryczko. Der Zeuge Robert Ryczko ist 62 Jahre alt, verheiratet und Polizeibeamter. Zu Beginn drückte er sein Bedauern über die Mord- und Raubserie aus. Unglücklicherweise läge der Ausgangspunkt der Serie in Thüringen. Er entschuldige sich im Namen der Thüringer Polizei bei den Opfern und Hinterbliebenen. Zum damaligen Zeitpunkt sei er als Referatsleiter „Einsatz“, zuständig für Versammlungen, Staatsbesuche, Organisation des täglichen Dienstes, etc., tätig gewesen. In seinem Referat sei er mit dem Fall der Drei nicht in Berührung gekommen. Auch referatsübergreifend sei dieser Fall kaum ein Thema gewesen. Man habe diese im Nachhinein betrachtet, damals unterschätzt. Er vertrat die Meinung, wenn sie kein Geld mehr hätten, kämen diese schon nach Thüringen zurück. Er habe sie damals für „harmlose Spinner“ gehalten. Mit den Namen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe habe er nach dem 04.11.2011 das erste Mal etwas anfangen können. Obwohl der Fall nicht in seinen Bereich fiel, habe er dennoch an der damaligen Innenausschusssitzung teilgenommen. In 1998 habe er sich von der Ansicht der Staatsanwaltschaft leiten lassen und keine Festnahmegründe gesehen. Heute sähe er dies anders. Er ginge auch anders vor, so dass die Drei z.B. keine Kenntnis von der Durchsuchung erhalten hätten dürfen. Nach dem Vortrag von Herrn Matczak ergebe sich eine neue Rechtlage für eine Festnahme. Er habe dienstliche Erklärungen von Herrn Weintauer und Herrn Matczak zu den damaligen Vorgängen angefordert und diese aufgrund des mir vor Abgabe der Erklärungen bekannt gewordenen Inhalts der Schäfer-Kommission zugeleitet habe. Dies sei ihm wichtig gewesen. Er habe nicht gewollt, dass die Gefahr entstehe, man nähme auf diese Person Einfluss, da er ja eine zu den anderen Schilderungen konträre Aussage gemacht habe. Die Glaubwürdigkeit von Herrn Matczak könne er nicht beurteilen, da er diesen persönlich nicht gesprochen habe. Herausragend sei, dass dieser von sich aus eine abweichende Meinung vertrete. Im Rahmen der Fahndung stelle er die Frage, ob es der richtige Weg sei, die Zielfahndung „alleine laufen zu lassen“. Üblicherweise bestehe eine Führungsgruppe, die entsprechende Aufgaben an die Zielfahndung verteile. Er bezeichnete es deprimierend, dass eine Vielzahl von Verfahren, auch im sog. 129-Verfahren, im Bereich „REX“ eingestellt worden seien. Er könne sich vorstellen, dass die Angelegenheit im Ministerium und LKA nachbearbeitet worden sei. Seines Wissens habe es aber keine personellen Veränderungen gegeben. An ein Gespräch mit Dressler oder Fahner könne er sich nicht mehr erinnern. Im Rahmen einer Vertretungstätigkeit schließe er nicht aus, dass ich die beiden gesprochen habe. Er schließe auch nicht aus, dass er Kritik geübt habe. Er weise auch auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Umbau der Polizei in Thüringen zu 31.12.1997 hin. Die Anforderung der Kräfte vom 20.01.1998 sei vom Ablauf her formal grundsätzlich richtig ausgeführt worden. Das Schreiben des TIM vom 26.01.1998 stelle die Bestätigung der Anfrage dar. Üblicherweise erfolge die Bestätigung früher und nicht am Morgen des Einsatzes. Wenn dem so sei, dann stelle dies schlechte Arbeit dar, da diese dann zu spät erfolgt sei.

StS a.D. Gregor Lehnert (TIM) Der Zeuge Gregor Lehnert ist 59 Jahre, verheiratet und von Beruf Unternehmer. Im Zeitraum August 1997 bis Oktober 1999 war er als Staatssekretär im TIM tätig. Im Rahmen seiner Akteneinsicht stellte er fast, dass seiner Ansicht nach Akten fehlen müssten, da bestimmte Vorgänge in der Dokumentation einfach aufhörten. Er habe damals veranlasst, dass zu einem Bericht in dieser Angelegenheit nachberichtet werde. Hier ende die Akte, was nicht sein könne. Hier sei intensiv nachgearbeitet worden, da Konsequenzen im organisatorischen Bereich, wie auch die Einrichtung der ZEX, gezogen worden seien. Es sei in jedem Falle über die Angelegenheit gesprochen worden, aber es fehlten die Vermerke. Er habe angeordnet, dass es jeden Freitag zwischen Polizei und TLfV eine Besprechung gegeben habe. Über die Bombenattrappen in Jena habe er sich informieren lassen. Er sei zu diesem Zeitpunkt erst zwei Wochen im Amt gewesen. Ebenso habe er sich über den Ablauf der Durchsuchung informieren lassen. Er wisse nicht mehr, ob Herr Ryczko stellvertretender Abteilungsleiter 4 gewesen sei. Üblicherweise habe er sich aber vom Abteilungsleiter 4 berichten lassen. Das Zusammenspiel von Justiz und Polizei bezeichnete er als nicht segensreich. Das Problem „REX“ sei gesehen worden. So sei z.B. eine entschlossene Linie gegen Rechts in Saalfeld gefahren worden. Der Verfassungsschutz könne zur Unterstützung der Polizei hinzugezogen werden, jedoch nicht zur Fahndung. Fahndung mit dem Ziel einer Festnahme sei allein Sache der Exekutive.

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