[Achtung: In diesem Text werden teils explizite Darstellungen von Tiertötung erläutert.]
Am 18. April 2023 fand unser Fachgespräch unter dem Titel „Wie kann der nachhaltige Aufbau der mobilen Schlachtung in Thüringen gelingen?“ im Thüringer Landtag statt. Der Fokus lag auf der (teil)mobilen Schlachtung als Alternative zu Großschlachthöfen. Diese ergibt sich, mit der im September 2021 geänderten EU-Verordnung zu spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, als neue Möglichkeit für Landwirt*innen.
Neben den drei Referent*innen, Dr. Andrea Fink-Keßler (Vorsitzende des Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung), Dr. Lothar Hoffmann (Präsident der Thüringer Landestierärztekammer) und Angela Grahmann (Vizepräsidentin von Weideschuss e. V.), nahmen einundzwanzig Vertreter*innen aus Landwirtschaft und Veterinärwesen, Verwaltung und Ministerien sowie Fachleuten aus anderen Bundesländern vor Ort oder digital zugeschaltet teil. Babette Pfefferlein, unsere agrar- und tierschutzpolitische Sprecherin, moderierte das Podium.
„Ich freue mich außerordentlich über das Interesse an unserem Fachgespräch zur mobilen Schlachtung in Thüringen. Wir beschäftigen uns schon lange mit diesem Thema. Wichtig ist uns dabei besonders, den Tierschutz mit der mobilen Schlachtung zu erhöhen, da damit lange Transportwege vermieden werden können“, begrüßte Babette die Interessierten.
Teilmobile Schlachtung bedeutet, dass nur die ersten Schritte der Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb ausgeübt werden, d.h. Fixierung, Betäubung und Bolzenschuss oder Kopfschuss vor Ort selbst vollzogen wird. Alle weiteren Schritte erfolgen dann auf einem regulären Schlachthof. Vollmobile Schlachtung bedeutet, dass der komplette Schlachtvorgang auf dem Herkunftsbetrieb stattfindet. „Ein Vorteil der teilmobilen wie auch der mobilen Schlachtung ist zum einen mehr Tierschutz aufgrund der entfallenden Tiertransporte, da die Tiere in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und stressarm zum Schlachtprozess geführt werden. Zum anderen geht es um die Steigerung der Arbeitssicherheit, da es besonders bei dem Transport von Rindern häufig zu Unfällen kommt“, betonte Dr. Fink-Keßler in ihrem Input. Diese Vorteile sah auch Dr. Hoffmann. Er beschrieb die mobile Schlachtung als ein „großes Politikum“ und begrüßte den Fakt, dass die neue EU-Hygieneverordnung die (teil)mobile Schlachtung nun zulässt.
Mit dem neu eingefügten Kapitel VIa in Anhang III der EU-Hygieneverordnung „Schlachtung im Herkunftsbetrieb“ wird erstmalig die Schlachtung im Herkunftsbetrieb von Rindern, Schweinen und Pferden unter Nutzung einer mobilen Schlachteinheit geregelt. Was sagt dieses neue Kapitel aus? Es wurde eine Maximalanzahl der Tiere, die (teil)mobil geschlachtet werden dürfen, festgelegt. Die Anmeldung der Schlachtung muss drei Tage vorher erfolgen. Des Weiteren ist die Anwesenheit eines*r amtlichen*r Tierarzt oder Tierärztin während des gesamten Schlachtvorgangs geregelt. Dr. Hoffmann sah gerade Letzteres, trotz kritischer Gegenstimmen aus dem Publikum, als wichtigen Punkt - die Anwesenheit eines Tierarztes oder einer Tierärztin sei „nicht runterzubrechen“. Hier ergibt sich allerdings die Herausforderung, so eine Vertreterin des Vereins Weideschuss e.V., dass der Bund zusätzliche Stellen für amtliche Tierärzt*innen schaffen müsste, weil die meisten (wie sie) nur nebenberuflich in dieser Stelle tätig sind.
Dr. Fink-Keßler nannte weitere Hürden, wie die Vermischung zweier bürokratischer Räume von Tierhaltung und Schlachthofbetrieb, die Schlachthofstruktur in Thüringen und die finanzielle Förderung. Sie empfahl daher eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Förder-, Landwirtschafts-, Zulassungs- und Kontrollbehörde, die Stärkung der regionalen Schlachtkapazität sowie die Überprüfung der Kostenstruktur für eine Genehmigung. Der Leitfaden zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb des Landesamtes für Verbraucherschutzes Thüringen sei hier schon ein guter Anfang. Dr. Hoffmann empfand die Kommunikation zwischen den verschiedenen Instanzen schon als sehr gut.
Des Weiteren machte Frau Grahmann für den Fall Thüringen klar, dass eine vollmobile Schlachtung, mit dem Hintergrund, dass ein Mangel an Schlachthöfen in Thüringen besteht, besonders sinnvoll sei. Trotzdem sollen beide Schlachtungsvarianten (teilmobil/ mobil) immer in Betracht gezogen werden. Dies begrüßt auch der Bauernverband. Diesbezüglich wurden unter den Gäst*innen die Frage nach der (Un)Wirtschaftlichkeit von teilmobilen oder mobilen Schlachtungseinheiten kontrovers diskutiert.
Bisher wurden drei Anträge einer (teil)mobilen Schlachtung in Thüringen gestellt - ein Antrag wurde genehmigt. In Goldbach befindet sich die erste und bisher einzige teilmobile Schlachteinheit. Warum in Thüringen erst drei Anträge gestellt wurden, erklärte die Vertreterin des Weideschuss e.V. u.a. damit, dass die Schlachtbetriebe aufgrund des erhöhten Seuchenrisikos keine toten Tiere annehmen wollen und es generell an Schlachthöfen in Thüringen mangelt.
„Das Fachgespräch zur mobilen Schlachtung hat gezeigt, dass wir in Thüringen mit dem Leitfaden des Landesamtes für Verbraucherschutzes seit Januar 2023 eine gute und in Teilen praktikable Handlungsempfehlung für die mobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb geschaffen haben. Die Praxis wird zeigen, an welchen Stellen geändert bzw. ergänzt werden muss.
Sachlich und fachlich wurden Probleme beim Aufbau einer mobilen Schlachtstättenstruktur in Thüringen erörtert. Die Teilnehmer*innen wiesen auf die vielseitigen Bedürfnisse und Anforderungen an die Akteur*innen hin. Zudem wurde klar, dass die Bedingungen in Thüringen sehr unterschiedlich und die Kommunikation und Vernetzung zentrale Aufgaben bei der Etablierung der (teil)mobilen Schlachtung sind.
Es bleibt festzuhalten, dass die Schlachtung im Herkunftsbetrieb zunehmend das Interesse von Landwirt*innen, Metzger*innen und Verbraucher*innen weckt und einen Beitrag zu mehr Tier- und Arbeitsschutz leisten kann. Aus diesem Grund setze ich mich dafür ein, dass der Freistaat Thüringen die Anschaffung und den Betrieb mobiler Schlachteinheiten gezielt finanziell unterstützt und dies im kommenden Haushalt berücksichtigt“, resümierte Babette das Fachgespräch.