Bericht zum Fachgespräch „Bundesverkehrswegeplan - Wie weiter mit den Straßenbauprojekten in Thüringen?" am 28. März 2023

Gruppenbild der Referent:innen mit Laura Wahl

Am Dienstag, den 28. März 2023, fand unser Fachgespräch zum Thema „Bundesverkehrswegeplan“ statt. Nicht nur vor Ort nahmen über 20 Personen teil, auch per Zoom schalteten sich Interessierte dazu.

Als Referent*innen waren neben unserer verkehrspolitischen Sprecherin Laura Wahl, Ingo Mlejnek (Referatsleiter für Straßenbau, Straßenrecht und Radverkehr im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) und Wulf Hahn (geschäftsführender Gesellschafter von RegioConsult) auf dem Podium. Susanne Menge (Obfrau im Verkehrsausschuss des Bundes und MdB) war über Zoom aus Berlin zugeschaltet.

Laura Wahl begrüßte alle Teilnehmenden und eröffnete das Fachgespräch: „Das Straßennetz in Deutschland ist bereits gut ausgebaut. Doch gerade der Verkehrssektor verpasst seit Jahren die Klimaschutzziele. Wir wollen uns daher fragen: Wie können wir die Mobilität in Zukunft gestalten? Wir wollen den Bundesverkehrswegeplan in den Blick nehmen - nicht nur bundesweit, sondern auch in Thüringen, mit Blick auf die Klimaschutzziele, aber auch auf die ökonomischen Ressourcen."

Weiterhin richtete unsere Fraktionsvorsitzenden Astrid Rothe-Beinlich via digitalem Grußwort einige Worte an das Publikum, in dem sie bekräftigte: „Leider gilt noch oft die falsche Prämisse ‚Straße first, Bahn second‘. Ein Straßenaus- und -neubau schafft immer klimaschädliche Tatsachen und es muss daher deutlich mehr in Bus, Bahn und Fahrrad investiert werden. Zukünftig müssen das Klimaschutzgesetz und das 30-Hektar-Ziel der Bundesregierung die Leitplanken für eine sinnvolle Priorisierung von Bauvorhaben bilden.“

In einem ersten fachlichen Input erläuterte Susanne Menge die bundespolitische Perspektive auf den Bundesverkehrswegeplan und die im Koalitionsvertrag verankerten Projekte - auch hinsichtlich des Schienen- und Straßenbaus in Thüringen. Sie beklagte einen fehlenden Fokus auf die Schiene und das Fehlen einer strikten Priorisierung der Straßenbauvorhaben, da, nicht nur aus finanziellen Gründen, in Zukunft nicht alle Projekte umgesetzt werden können. Sie betonte: „Wir müssen uns trauen, uns die Frage zu stellen: Welche Straßenbauprojekte können wir uns noch leisten und von welchen müssen wir uns verabschieden? Die Kosten sind dramatisch angewachsen und es ist allein aus finanziellen Gründen nötig, dass man strikt priorisiert. Wir müssen und einer neuen Mobilitätspolitik zuwenden, die die Stadtplanung, soziale Aspekte und Wegebeziehungen mit einbezieht. Andere Länder machen es vor, dass solche Konzepte viel langfristigere Planungen ermöglichen und klima-, umwelt- und sozialverträglicher sind.“ Ebenfalls unterstrich sie die Forderung nach angemessenen Kriterien für die Bedarfsprognose und Priorisierung von Straßenbauprojekten. Als Beispiele führte sie u.a. die CO2-Belastung, die sogenannte „graue Energie“, das Flächenschutzziel, den Moorschutz und die Biodiversität an.

Ingo Mlejnek erklärte in seinem Vortrag die Arbeitsweise und Handlungsgrundlagen des Thüringer Verkehrsministeriums: „Bei den Bundesfernstraßenprojekten ist das Land rechtlich als Auftragsverwaltung für den Bund tätig: Wir unterstehen also den Weisungen des Bundesverkehrsministeriums. Für Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan ist die Nutzen-Kosten-Analyse, die den volkswirtschaftlichen Nutzen mit den Kosten für Neu- und Ausbau vergleicht, die wichtigste Grundlage.“ Mlejnek betonte, dass der Fokus für den Bundesstraßenbau in Thüringen vor allem auf Ortsumgehungen liegt. Diese, führte er weiter aus, sollen insbesondere die Verkehrssicherheit in der Ortsdurchfahrt erhöhen und Lärm- und Feinstaubbelastung für die Anwohnenden reduzieren.

Wulf Hahn zeigte in seinem Inputvortrag auf, wie man Bauvorhaben sinnvoll priorisieren kann und dass Kriterien wie Verkehrswirkung und -sicherheit, Wirtschaftlichkeit und vor allem Klima- und Umweltfaktoren festgelegt werden müssen. Er sagte: „Neben den drastischen Entwicklungen der Baukosten, müssen bei einer Reform der Kriterien die negativen Nutzeneffekte realistisch ermittelt werden. So werden beispielsweise bisher die Kosten der CO2-Emissionen deutlich zu gering bewertet und Umweltschutzfaktoren spielen leider häufig eine untergeordnete Rolle.“ Er zeigte des Weiteren anhand von Beispielen aus anderen Bundesländern auf, wie eine sinnvolle Festlegung von Kriterien für ein Priorisierungskonzept der Straßenbauvorhaben aussehen kann.

Nach den Fachinputs stiegen wir in die Diskussion ein. Mitglieder von Bürger*inneninitiativen und kommunalpolitisch Aktive adressierten Fragen und Bedenken zu dem konkreten Planungsstand von bestimmten Ortsumgehungen an die Referent*innen. Hier machte Laura Wahl deutlich, dass die konsequente Priorisierung der Thüringer Vorhaben dazu führt, dass dringend notwendige Projekte beschleunigt umgesetzt werden können. Zudem ging es bspw. um die Beschleunigung von Planungszeiten, den Ausbau und die Sanierung des Schienennetzes sowie die häufig zu niedrig angesetzten Baukosten bei Straßenbauvorhaben sowie dem Personal- und Fachkräftemangel in den entsprechenden Behörden. Einigkeit bestand bei allen bei einem Thema: Erhalt vor Neubau. Dies hatten wir in unserer Aktuellen Stunde im letzten Plenum bereits thematisiert. Ortsumgehungen, so Teilnehmende, wären jedoch notwendige Ausnahmen.

Susanne Menge schloss die Diskussion mit einem Appell: „Der übernommene Sanierungsstau im Bahnverkehr muss, aufgrund der Dramatik der Klimakrise, so schnell wie möglich angepackt und damit die Schiene konkurrenzfähig werden.“

„Während der Umgang mit Straßenbauprojekten oft sehr locker gehandhabt wird, werden bei Schienenvorhaben seitens des Bundes häufig zu harte Kriterien angelegt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir in einem eher männlich dominierten Sektor, Frauen stärker in den Fokus rücken müssen“, ergänzte Laura Wahl.

Abschließend tauschten sich die Anwesenden bei Speisen und Getränken weiter über den Bundesverkehrswegeplan und die Zukunft des Straßenbaus sowie der dringend notwendigen Mobilitätswende aus. Wir bedanken uns herzlich bei den Referent*innen und allen Teilnehmer*innen für das Interesse an unserem Fachgespräch, die interessanten Inputs und den angeregten Austausch. Wir sehen definitiv Potential für weitere Veranstaltungen dieser Art und nehmen die wichtigen Hinweise mit in unsere politische Arbeit.

Über folgenden Link geht es zur Aufzeichnung des kompletten Fachgespräch: