Bericht Infotag „Mafia“ am 13. Oktober 2022

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Bericht Infotag „Mafia“ am 13. Oktober 2022

Am 13. Oktober fand unser Infotag „Mafia“ im Haus Dacheröden statt. Parallel zum Untersuchungsausschuss 7/1 "Mafia", der erst seit einem Jahr im Thüringer Landtag arbeitet, sollte nun erstmals ein umfassender Einblick in die Tätigkeit des Ausschusses möglich gemacht werden.

Durch eine vielfältige Liste an Redner*innen wurde nicht nur die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses, sondern auch ein umfassender Ausblick auf das weiter geplante Vorgehen mit eventuellen Hürden erläutert.

Um 10 Uhr startete der Infotag mit einer kurzen Begrüßung durch unsere Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich. Rothe-Beinlich beschrieb in ihrer Ansprache weshalb es zur Gründung des Untersuchungsausschusses „Mafia“ kam. Sie definierte das Problem rund um die Mafia als eines, dass alle etwas angeht. Auch wenn zunächst nicht sicher war, ob die Arbeit des Untersuchungsausschusses überhaupt auf Interesse stoßen würde, war klar, dass ein weiteres Schweigen erhebliche Vorteile für die Mafia bedeuten würde.

Der Infotag sollte also als Vernetzung fungieren, um wirksamer gegen die Machenschaften der Mafia vorgehen zu können. Im Fokus standen hier vor allem die `Ndrangheta, als zentralste und einflussreichste Mafia in Ostdeutschland mit einem Hauptsitz in Erfurt.

Unsere Abgeordnete Madeleine Henfling (Obfrau im Untersuchungsausschuss 7/1) begrüßte im Anschluss ebenfalls alle Anwesenden und bot einen kleinen Einblick in die Arbeit des Untersuchungsausschusses: Wie ist die `Ndrangheta nach Erfurt gekommen? Was genau macht sie? Warum siedelte sich die Mafia so gerne in Deutschland an? Diese und noch weitere Fragen versucht der Untersuchungsausschuss zu beantworten. „Deutschland ist ein Paradies für die Mafia. Hier können Immobilien mit Bargeld gezahlt werden, man muss nicht erklären woher das Geld für eine Restauranteröffnung kommt und es ist generell nicht illegal Mitglied der Mafia zu sein“, so Henfling. Auch die LINKE Abgeordnete Katharina König-Preuss (Obfrau im Untersuchungsausschuss 7/1) berichtete: Strukturen der Mafia haben mitbekommen, dass der Untersuchungsausschuss existiert, was die Arbeit erschweren kann. Zeug*innenvernehmungen bringen interessante und wichtige Erkenntnisse über die Aktenlage hinaus zum Vorschein. Jedoch gibt es leider eine nicht so wohlwollende Unterstützung seitens der Sicherheitsbehörden und Ministerien, wie es bei den NSU-Untersuchungsausschüssen in Thüringen der Fall war. „Außerdem geht es bei der Aufarbeitung der `Ndrangheta-Machenschaften“, so König-Preuss, „nicht nur um Geldwäsche, sondern auch um Drogen-, Menschen-, Frauen- und Waffenhandel.“

Im ersten Inputbeitrag des Tages informierte Marco Tripodi (italienische Finanzpolizei) über seine Arbeit als Offizier der Guardia di Finanza in Berlin. Er betonte wie wichtig eine Vernetzung sei, da es einer Anti-Mafiakultur benötigt, um die Mafia zu bekämpfen. Vor allem ein internationales Netz sei hier besonders ausschlaggebend, da die Mafia über Ländergrenzen hinweg agiere und verschiedene Rechtssysteme die Eindämmung ihrer Arbeit erschweren würden. Kooperation und Koordinierung nannte er hier als Schlüsselwörter. Auch brauche es Finanzermittlungen, um das konkrete Vermögen der Mafia erfassen und einziehen zu können.

Nach der Mittagspause berichtete Marcel Emmerich (Obmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Innenausschuss des Bundestags) über grüne Konzepte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität auf Bundesebene. So möchte die Bundesregierung, laut Koalitionsvertrag, beispielsweise die organisierte Kriminalität in den Mittelpunkt der deutschen Sicherheitspolitik rücken. „Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist ein internationaler Kampf. Denn durch die Schäden welche in Deutschland entstehen, entstehen automatisch auch Schäden auf europäischer Ebene“, so Emmerich. Er wünscht sich ebenfalls eine vernetzte Anti-Mafia-Arbeit über Ländergrenzen hinaus.

Margherita Bettoni (Journalistin) hielt nachfolgend einen Vortrag zu ihrer Recherche „Mafia Kolonie Ostdeutschland – Der blinde Fleck der Deutschen Einheit“. Als große Hürde für ihre Arbeit definierte sie die engen, familiären Gruppierungen der Mafia. Ein Einblick in diese verschlossene Welt sei kaum möglich, da es kaum Kronzeug*innen gäbe. Ebenfalls betonte sie, dass die internationale Kooperation verbessert werden müsse. Weiter beschrieb sie, dass die ‘Ndrangheta ein Kontrollgremium „Crimine di Germania“ unterhalte. Diese Art Kommission sei die einzige ihrer Art in Deutschland und solle die Machenschaften der Mafia in Deutschland koordinieren. „Daran ist klar und deutlich zu erkennen“, so Bettoni, „wie wichtig Deutschland als Handlungsort für die ‘Ndrangheta ist.“

Sanne de Boer stellte anschließend ihr neu erschienenes Buch „`Ndrangheta: Wie die mächtigste Mafia Europas unser Leben bestimmt“ vor. Sie beschrieb wie sie 2006 in ein süditalienisches Dorf zog und bis zu dem Zeitpunkt nicht wusste, dass dort die Mafia ihre Machenschaften trieb. Ihre persönlichen Erfahrungen brachte sie in ihrem nun schon zweiten veröffentlichten Werk gebunden zu Papier. Sie betonte ebenfalls, dass der Diskurs rund um die Mafia in Deutschland offener werden müsse, denn Bücher zu diesem Thema wurden in der Vergangenheit häufig zensiert.

Nach einer kurzen Kaffeestärkung kam Dr. Zora Hauser (Oxford Universität) zu Wort. Ihren Vortrag begann sie mit einer Auflistung der wichtigsten Aspekte der `Ndrangheta: Eine 150-jährige Organisation, eine clanmäßige Struktur, ein jährlicher Umsatz von ca. 53 Milliarden Euro und eine internationale Ausbreitung auf 5 Kontinenten. Ein schwieriger Aspekt ihrer Forschung sei das Finden von aussagekräftigen Quellen, da durch die Clanstruktur potenzielle Zeug*innen eingeschüchtert werden würden.

Laura Garavini (Senatorin, mafianeindanke e.V.) grüßte danach mit einer kurzen Videobotschaft. Sie stellte die Wichtigkeit von Vereinen wie mafianeindanke e.V. hervor und betonte was dieser Verein schon in Kooperationen erreicht hat. Sandro Mattioli (mafianeindanke e.V.) schloss sich ihren Aussagen an und erläuterte die Arbeit von mafianeindanke e.V. etwas näher. Als langjähriger Vorsitzender des Vereins möchte er durch die Arbeit mehr gegen organisierte Kriminalität sensibilisieren. Ebenso ist ihm der Leitsatz: „Sprecht über die Mafia. Redet über sie im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen. Aber sprecht darüber.“ von Paolo Borsellino, ein wichtiger Grundgedanke seiner Arbeit nach außen. Die Zusammenarbeit mit einzelnen Sicherheitsbehörden beschreibt er jedoch als „leider etwas schwierig“. Es herrsche eine große Dunkelziffer der Kriminalität in Deutschland. Doch dadurch, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Mafia gesetzlich kein Straftatbestand darstellt, könne wenig gemacht werden. Er wünschte sich ein aktiveres Vorgehen und die Anpassung der Gesetze.

Zum Schluss des Infotages wurde ein kurzer und sehr emotionaler Videobeitrag von Friederike Hempel (Gemeindepädagogin Thomasgemeinde) gezeigt. Dieser beinhaltete Fotos, der verstorbenen Fotojournalistin Letizia Battaglia, untermauert mit der Musik von Pippo Pollina. Letizia Battaglia war oft erste am Tatort von Mafia-Morden und „prägte mit ihren Fotos die Wahrnehmung dieser rohen Brutalität des Alltags der Mafia in Sizilien.“  Hempel meldete sich als Bürgerin in Erfurt zu Wort und erklärte, dass auch Privatpersonen besorgt seien. Durch Kontakte in Italien weiß sie jedoch, dass es möglich sei, etwas gegen die Mafia auszurichten. Dazu benötige es jedoch neben der öffentlichen Sensibilisierung und Aufklärung auch gesetzliche Grundlagen und aktives Vorgehen.

Informative Inputbeiträge, Einblicke in die Arbeit der Anti-Mafia-Initiativen, spannende Gespräche sowie ein gefüllter Saal ließen den Infotag „Mafia“ zu etwas ganz Besonderem werden. Auch nächstes Jahr haben wir vor, so einen Infotag erneut zu veranstalten. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal und hoffen, euch wieder so zahlreich bei uns begrüßen zu dürfen!