Feststellung der Anwendbarkeit des Infektionsschutzgesetzes für den Freistaat Thüringen

Abgeordnete im Sonderplenum

In einem Sonderplenum am 24.11.2021 stellte der Thüringer Landtag auf Initiative von Rot-Rot-Grün hin die Anwendbarkeit des § 28a Absatz 1 bis 6 gemäß § 28a Absatz 8 des Infektionsschutzgesetzes fest.

Seit dem 06.11.2021 befinden sich alle Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen in der Warnstufe 3 nach § 25 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-lfS-MaßnVO. Seit diesem Zeitpunkt ist trotz der bereits getroffenen bisherigen Eindämmungsmaßnahmen die thüringenweite SiebenTage-lnzid13nz nochmals von 405,9 pro 100.000 Einwohnern auf 648, 1 (Stand 22. November 2021), die Hospitalisierungsinzidenz von 14,2 pro 100.000 Einwohnern auf heute 17,6 sowie die thüringenweite Auslastung der Intensivstationen auf heute 28,5 % angestiegen. In ganz Thüringen ist ein diffuses Infektionsgeschehen zu beobachten.

Eine Stabilisierung des Infektionsgeschehens ist durch die bisherigen Regelungen nicht eingetreten. Die Situation der Intensivstationen-Auslastung ist bereits erheblich angespannt. Aktuell (Stand 22. November 2021) werden in Thüringen 197 Covid-19 Patienten auf Intensivstation behandelt (am 27.10.2021 waren es noch 54 Covid-19-Patienten). Die lntensivbettenauslastung liegt bei mehr als dem zweifachen des Schwellenwerts der Warnstufe 3. Eine vergleichbare Auslastung der lntensivbetten erfolgte im Vorjahr in der zweiten Infektionswelle erst ca. 4 bis 6 Wochen später.

Der Anteil der Geimpften unter den Corona-Infizierten beläuft sich auf Intensivstation dabei auf durchschnittlich 5-10%, auf Normalstation beträgt er etwa 30%. Aus den Entwicklungen der letzten Wochen zeigt sich, dass die Verdoppelungszeit der Patienten auf Intensivstation derzeit bei etwa 11 Tagen liegt. Es ist bereits abzusehen, dass kurzfristig Verlegungen von lntensivpatienten in andere Bundesländer erforderlich werden. Bereits zum aktuellen Zeitpunkt wird durch Thüringer Kliniken die Regelversorgung eingeschränkt, um personelle Kräfte für die Versorgung von Patienten auf Intensivstation zu gewinnen.

Für Thüringen ist die Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) demzufolge weiterhin nicht nur konkret, sondern sehr real. Unbeschadet des Auslaufens des vom Deutschen Bundestag am 25. August 2021 letztmalig verlängerten Beschlusses vom 25. März 2020 zur Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt es, dringend einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen zu vermeiden.

Hierfür sind auch nach dem Ende der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung und der Angemessenheit der Eindämmungsmaßnahmen auch weiterhin die gesetzlich vorgesehenen und gesetzlich begrenzten Handlungsmöglichkeiten nach den Absätzen 1 - 6 des § 28 a lfSG erforderlich. Das in Thüringen etablierte Verfahren zur Beteiligung des Landtags im Zuge des Erlasses der einschlägigen Verordnungen hat sich bewährt und stellt sicher, dass eine nicht verhältnismäßige Anwendung des „Instrumentenkastens" unter Mitwirkung des Parlaments ausgeschlossen werden kann.

Welche Maßnahmen im weiteren Verlauf der Krankheitsverbreitung im Einzelnen erforderlich, geeignet und angemessen sein werden, wird der Verordnungsgeber im Beteiligungsverfahren mit dem Landtag jeweils darzulegen haben, Im Falle der gegenteiligen Einschätzung zur Frage der Verhältnismäßigkeit bleibt dem Landtag die Möglichkeit, eine Verordnung außer Kraft zu setzen oder durch ein Gesetz zu ersetzen.

Die Anwendbarkeit der Absätze 1- 6 des § 28a lfSG stellt (Absatz 5) sicher, dass Rechtsverordnungen auf dieser Basis weiterhin (in der Regel maximal vierwöchig) zu befristen sind.

§ 28 a Abs. 8 Satz 2 legt für die Feststellung der konkreten Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 {COVID-19) eine Höchstdauer von drei Monaten fest, wobei die Feststellung auch verlängert werden kann. Entsprechend dem neuen § 28a Abs. 10 lfSG ist die Befristung von Rechtsverordnungen auf der neuen Basis nur bis zum Ablauf des 19. März 2022 möglich.

Für den aktuell unwahrscheinlichen Fall einer hinreichend entspannenden Entwicklung behält sich der Landtag eine frühere Aufhebung dieses Beschlusses vor.