Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss

Im öffentlichen Teil der Sitzung am 11.06.2012 wurden die Zeugen KHK Roberto Tuche (KPI Jena) KHK Thomas Matzcack (KPI Jena) KHK Klaus-Dieter Iselt (PD Saalfeld) KHK a.D. Günther Hollandt (TLKA) KHK Dieter Fahner (TLKA) vernommen. KHK Roberto Tuche (KPI Jena) Herr KHK Tuche ist seit 1995 im Bereich des Staatsschutzes der KPI Jena tätig und nunmehr auch Teil der BAO TRIO. Im Rahmen der Bearbeitung der einzelnen Delikte habe jeder Beamte sämtliche Delikte, seien sie aus dem rechten oder linken Spektrum oder aus dem Bereich der Eidesdelikte, bearbeitet. Darüber hinaus hätte die KPI nur Zuarbeiten für das LKA übernommen. So habe der KPI - Leiter eine Ersteinschätzung der einzelnen Verfahren durchgeführt und diese an die einzelnen Dezernate verteilt. Bei entsprechender Brisanz wird eine Abgabe an das LKA erwogen, so dass die KPI das LKA um Übernahme bittet. Ebenso habe das LKA Verfahren auch an sich gezogen. Herr Tuche will sich u.a. nicht an das Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Tino Brandt, Mario Brehme u.a. (Anti-Antifa Ostthüringen / THS) erinnern, auch nicht dass der Winzerclub in Jena ein herausgehobener Treffpunkt der Rechten in Jena war. Bei den Ermittlungen zum „Puppen-Torso“ (13.04.1996) führte er allerdings aus, dass bei den Erstermittlungen am Tatort gegen 02:00 Uhr nachts neben Ermittlern des LKA auch ein Mitarbeiter des Thüringer Innenministeriums anwesend war. Nach seinen Angaben wurde evtl. die politische Brisanz erkannt. Herr Tuche stellte wegen der „Bomben“ - Funde 1996/97 eine neue Qualität der Delikte fest, da es solche Vergehen aus dem rechten Spektrum noch nicht gegeben hätte. Ebenso schätzte er die Tatsache ein, dass Rechte, u.a. Mundlos, Böhnhardt und Brandt, die Polizei ausspähten, obwohl diese Tatsachen bekannt waren. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem LKA trug er vor, dass Informationen an das LKA stets weiter gegeben wurden. Zum Informationsfluss zur KPI stellte er fest, dass sie dies nicht entschieden hätten, aber „eigentlich kriegen sie die Infos schon mit.“ Zur Zusammenarbeit mit dem TLfV konnte er nichts ausführen. Diese soll auf Leiterebene stattgefunden haben. Ihm sei jedoch nicht aufgefallen, dass das TLfV die „Leute“ gewarnt haben soll. Er wisse über den Einsatz von V-Leuten / verdeckten Ermittlern nicht Bescheid. Er habe erst später davon Kenntnis erlangt, dass Tino Brandt ein V-Mann des TLfV war. Im Rahmen von Nachfragen nach der Vernehmung des Zeugen Iselt führte er zu etwaigen Besprechungen mit dem TLfV und dem BfV an, dass dies Herr König wisse. Er habe später an entsprechenden Schulungen zum Thema „REX“ teilgenommen. Auch zu Konferenzen mit Mitarbeitern des TIM verwies er auf Herrn König. Er habe dazu keine Kenntnis mehr, ob zwischen 1995 und 1997 Gefährderansprachen und entsprechende Streifengänge an „Szenetreffs“ durchgeführt wurde. Danach sei dies so gewesen. KHK Thomas Matzcack (KPI Jena) Der Zeuge Matzcack kam Mitte 1997 in das Kommissariat 33 „Staatsschutz“ in der KPI Jena und blieb dort für etwas mehr als ein halbes Jahr. Dort bearbeitete er zunächst einfach gelagerte Fälle wie Propagandadelikte („Hakenkreuzschmierereien“), Landfriedensbruch und Eidesvergehen. In den in diesem Termin zur Rede stehenden Vorfällen will er nicht tätig gewesen sein. Die Bombenfunde in Jena waren ihm erinnerlich, jedoch keine Details. Er bewertete diese Funde als nicht alltäglich. Er bestätigte überwiegend die Angaben des Zeugen Tuche zu Arbeitsorganisation und Arbeitsverteilung in der KPI Jena. So sei das Kommissariat 33 nur mit fünf Beamten besetzt gewesen. Weiter führte er aus, dass es wöchentliche Leiterbesprechungen gegeben haben soll, in denen jeder über die seiner Meinung nach „herausragenden“ Fälle informierte. Auch mit dem TLKA soll es regelmäßige Besprechungen auf Leiterebene gegeben haben. Eventuell seien diese Informationen nicht zu den Sachbearbeitern durchgedrungen. Zum TRIO befragt gab er an, dass die drei und die Gruppe um Andre Kapke durchaus bekannt waren. Dies war schon in seiner Zeit beim KDD so. Die Vorfälle um das Ausspähen von Beamten und Kennzeichen bezeichnete er als „nichts Ungewöhnliches“. Dass jedoch Personen dazu auf das Gelände der PD Jena eindrangen, barg für ihn eine neue Qualität. KHK Klaus-Dieter Iselt (PD Saalfeld) Herr KHK Klaus-Dieter Iselt ist seit 1991 Leiter des K 33 im Dezernat 3 „Staatsschutz“ in Saalfeld. Den Bereich Staatsschutz bearbeiteten insgesamt fünf Beamte. Seit 1991 traten Skinhead-Gruppen, u.a. um Andreas Rachhausen, auf, wobei neben Propagandadelikten auch erste Gewalttaten gegen „anders Denkende“ verübt wurden. Nach dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 1992 in Rudolstadt wurde ein stetiger Zulauf, auch aus dem Westen und von Führungskadern, in die Szene festgestellt. Dem folgte ein sehr starker An-stieg von Delikten im Staatschutzbereich, wobei der Bereich Saalfeld führend war. Der Zeuge sprach von einer „unüberschaubaren Anzahl“ von (gefährlichen Körperverletzungen, Landfriedensbrüchen, Propagandadelikten, die nur schwerlich zu bewältigen waren. Auch seien die betreffenden Personen bekannt gewesen. Aufgrund der Häufung der Delikte in diesem Bereich sei dann beim LKA die SOKO REX in Leben gerufen worden, die insbesondere das „Strukturverfahren“ wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB“ gegen Tino Brandt und zwölf weitere Personen (jedoch nicht M., B., Z.) bearbeitete. Der Zeuge war nicht Mitarbeiter in der SOKO REX, jedoch stellte sein Kommissariat immer Beamte hierzu ab. Die schwersten Delikte wurden so vom TLKA übernommen. Schwierigkeiten in der Arbeit bereitete die Tatsache, dass die Szene sehr gut geschult war und die Aussagebereitschaft erheblich nachließ. Im Rahmen der Arbeit wurden auch präventive Maßnahmen, wie Streifen und Personenkontrollen vor den Szenetreffs wie „Am Weinberg“, „Saaleblick“ und „Am Heilsberg“ durchgeführt, da dies nach seinem Verständnis zum „Staatsschutz“ dazugehöre. Aufgrund täglicher Absprachen bestand auch ein gleicher Wissensstand der Mitarbeiter. Der Austausch von Informationen zwischen einzelnen KPIen fand immer bei Großveranstaltungen, aber nicht im Allgemeinen statt. Vom TLKA kamen die entsprechenden Informationen und Sachstandsberichte, zumal sich auch Beamte seine PD in der SOKO REX befanden. Die SOKO REX habe im Rahmen des Verfahrens nach § 129 StGB jedoch nicht nachgefragt, ob noch weitere Straftaten im Bereich vorlagen, die man zum Verfahren ziehen könne. Seine Dienststelle habe zudem sämtliche Informationen im Rahmen des Meldedienstes „Staatsschutz“ weitergegeben. Es fanden auch regelmäßige Konferenzen (¼ - ½ - jährlich) des Leiters des Dezernats 61 im TLKA, den Staatsschutzleitern in den KPIen und Vertretern des TIM statt. Ebenso berichtete er davon, dass regelmäßig Beamte des TLfV vorbeikamen, um Informationen abzuschöpfen. So sei ein Beamter des TLfV regelmäßig an einem bestimmten Tag vor-beigekommen und habe die Informationen eingezogen. Entsprechende Hinweise auf V-Leute bzw. verdeckte Ermittler habe er nicht erhalten. In einem Fall wurde aber eine Kennzeichen-Abfrage mit dem Hinweis, dass diese schriftlich angefragt werden müsse, versagt. Ebenso gingen der MAD und das BfV vor, jedoch fanden diese Treffen viel seltener (2-3x pro Jahr) statt. Den Informationsfluss bezeichnete er als einseitig. Den Kontakt mit Herrn Staatsanwalt Schultz bei der StA Gera bezeichnete er als sehr eng. So sei er in bestimmten Fällen persönlich nach Gera gefahren. Es stellte sich jedoch ein großer Frust ein, da es nicht in dem Maße zu Verurteilungen gekommen sei, wie er sich das vorgestellt habe, und viele Verfahren eingestellt worden seien. Er habe sich gewünscht, dass „die StA mal mitziehe“. So habe es quasi keine Hilfe von StA Schultz gegeben, für den Landfriedensbruch oder eine gefährliche Körperverletzung nicht für eine Verurteilung gereicht hätten. Nach seinen Angaben soll er geäußert haben, „bringen Sie mir einen schönen Raub, dann sperre ich sie ein“. Der Zeuge Iselt führte aus, dass der Nachweis der Bildung einer kriminellen Vereinigung sehr schwer zu führen sei. So seien zwar durch Brandt einzelne Kameradschaften zur Anti-Antifa Ost-Thüringen bzw. später THS gebündelt worden, jedoch sei die Absprache von Straftaten nicht nachweisbar gewesen. Zwar stellten die gesamten Taten für den Zeugen ebenfalls eine neue Qualität dar, aber diese Taten seien größtenteils Spontandelikte und eine „Arbeitsteilung“ als KPI Saalfeld nicht zu ermitteln gewesen. Zur Rolle der Staatsanwaltschaft gab er noch an, dass diese als Herrin des Verfahrens die entsprechenden Verfügungen, um das Verfahren voranzutreiben und zu steuern, erlassen müsse. Sie hätten alle in ihrem Bereich vorliegenden Verfahren mitgeteilt, die für das Strukturverfahren in Frage kämen. Er könne sich auch nicht vorstellen, warum zehn Tage nach dem bis dahin größten Waffenfund in der rechten Szene in Heilsberg am 11.10.1997 der Abschlussbericht abgefasst wurde. Weiterhin teilte er mit, dass es einen Lehrgang „REX“ in Meiningen, jedoch keinen zu den speziellen Gegebenheiten in Thüringen gegeben habe. Außerdem seien zu Treffen der Szene in Thüringen auch Teilnehmer aus Oberfranken gekommen. Unter Vorhalt von Dirk Adams äußerte er sich dazu, dass ein bestimmtes Vernehmungsverhalten eines Beamten des LKA zu Beginn des Strukturverfahrens als taktisch unklug bezeichnet wurde und dieser Beamte wohl aus der SOKO REX entfernt wurde. So eröffnete dieser Beamte einem Zeugen, dass nunmehr ein Verfahren nach § 129 StGB gegen seine Kameraden eröffnet worden sei, er auch als Beschuldigter gelten könne und jetzt andere Saiten aufgezogen würden. KHK a.D. Günther Hollandt (TLKA) Herr KHK Günther Hollandt war seit Dezember 1993 im TLKA tätig und kam aus Baden-Württemberg. Dort war er im Bereich „Organisierte Kriminalität“ (OK) eingesetzt. Im TLKA arbeitete er u.a. in den SOKOs „Samurai“, „Jura“ und „Funk“. Nach einer Vielzahl an Delikten mit rechtsextremem Hintergrund wurde das „Strukturverfahren“ Ende 1995 eingeleitet. Mundlos und Böhnhardt sind seiner Kenntnis nach erstmals Mitte 1995 in Erscheinung getreten. Er machte zu Böhnhardt noch Ausführungen zum Komplex „Puppen-Torso“. In diesem Verfahren sind diese jedoch nicht als Beschuldigte geführt. Ihm sei der Grund hierfür nicht mehr erinnerlich. Herr Hollandt hat in diesem Zusammenhang Tino Brandt als Beschuldigten vernommen und stellte fest, dass dieser gute Kenntnisse über die Abteilungen hatte. So bestand die Vermutung, dass jemand aus den eigenen Reihen möglicherweise geplaudert habe. Im weiteren Verlauf kam es zu Unstimmigkeiten zu Leitung und Auflösung der SOKO REX. Der Zeuge bezeichnete sich als Leiter der SOKO REX, während ein Bericht des TLKA den Zeugen als „temporären“ Leiter benannte. Herr Hollandt äußerte auch glaubhaft und blieb auch dabei, dass die SOKO zum 30.06.1996 aufgelöst wurde, während in diesem Bericht die Auflösung auf den 25.02.1997 datiert wurde. Er habe dafür von seinem Abteilungsleiter keine Begründung erhalten. Es wurde mitgeteilt, dass die fortgeschrittenen Fälle abzuschließen und der Rest an die KPIen abzugeben seien. Seine Bedenken hierzu habe er gegenüber seinem Abteilungsleiter geäußert. So lag eine Vielzahl von Straftaten vor. Ein Fund der KPI Jena von Skizzen, auf denen die Durchführung von Anschlägen auf die Eisenbahn beschrieben war (Das Blatt soll aus einem Bundeswehr-Handbuch stammen und nicht verboten sein.), zeige auf, was diese Leute vorhätten. Außerdem ginge unter Verlust der zentral koordinierten Ermittlungen, auch wenn die EG TEX ins Leben gerufen wurde, eine Menge Wissen und Zusammenhänge verloren. Der damalige Präsident Kranz hätte ihn auch unterstützen können, wenn er die SOKO REX weiter hätte haben wollen. Zu seiner Arbeit führte er an, dass stets Personalmangel herrschte, da PIen aus ganz Thüringen entsprechende Fälle übergaben. Als hinderlich bezeichnete er, dass das Personal nicht seinen Erwartungen entsprach. So seien ihm Polizisten aus dem Verkehrsdienst zugewiesen worden. Manche Kollegen wollten nicht mit bestimmten Kollegen zusammenarbeiten. Ein Polizist soll Rechtschreibung und Satzbildung nicht beherrscht haben. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem TLfV habe er regelmäßig Lageberichte an das Amt gegeben und sich gewünscht, dass entsprechende Informationen zurückkämen. Er ging jedoch davon aus, dass das TLfV genauso wenig wisse wie sie. Darum habe er nicht aktiv um Informationen gebeten. Ebenso nahm er an, dass im TLfV Beamten säßen, die wüssten, wie ein Strafverfahren ablaufe. Wenn Anhaltspunkte vorlagen, fand ein Informationsaustausch mit anderen LKAen statt. Ein Bezug der Thüringer rechten Szene nach Franken wurde ebenfalls gesehen. KHK Dieter Fahner (TLKA) Herr KHK Dieter Fahner war seit Mitte 1997 im Dezernat 61 des TLKA „Staatsschutz“ in der EG TEX tätig. Er machte Angaben zu von ihm bearbeiteten Verfahren, wie dem Puppen-Torso. Böhnhardt wurde dabei wegen eines Fingerabdrucks verurteilt. Die Verfestigung der Gruppe stellte man fest. Zum damaligen Zeitpunkt hätten sie auch gut mit den Sachbearbeitern im TLfV zusammen-gearbeitet, später geschah dies nur noch auf Leiterebene. Ihm sei nicht bekannt, dass V-Leute bzw. verdeckte Ermittler eingesetzt wurden oder Tino Brandt Insiderwissen habe. Er bezeichnete Herrn Hollandt als Leiter der SOKO REX. Die Akten der SOKO REX seien rückwirkend bis zum Verfahren Puppen-Torso übernommen worden. Über den personellen Bestand der SOKO habe er keine Kenntnis gehabt. In der EG TEX waren fünf bis sechs Beamte tätig. Hierin wurden die sieben Verfahren der Gruppe um Böhnhardt bearbeitet, wobei die Zusammenarbeit mit den KPIen als gut bezeichnet wurde. Eine Antwort darauf, weshalb die Verfahrenszahl zurückging, habe er nicht. Vermutlich habe man nur die wichtigsten an sich gezogen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er den Abschlussbericht im Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verfasst habe, aber wenn seine Unterschrift drauf sei, dann wird er ihn wohl verfasst haben. Ob der Waffenfund vom 11.10.1997 in das Verfahren eingeflossen sei, wisse er nicht mehr. Ebenso könne er zu diesem Fund nichts sagen. Die Zusammenarbeit mit den KPIen, der StA Gera und dem TLfV bezeichnete er als gut. So wurden die maßgeblichen Schritte mit Herrn StA Schultz abgesprochen. Jedoch weiß er nicht mehr, ob er nach Übergabe des Abschlussberichts noch mit der StA gesprochen habe. Im Bereich des TLfV sei Herr Schrader der Ansprechpartner gewesen. Er führte auf Nachfrage noch an, dass der MAD sich auch an die EG TEX zur Informationsbeschaffung wandte. Auf die Frage, ob im Laufe des Verfahrens an den Erlass eines Haftbefehls gegen das TRIO gedacht wurde, sagte er, dass sie „nicht genug dafür hatten“.

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