Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss

Im öffentlichen Teil der Sitzung am 10.09.2012 wurde der Zeuge Dr. Helmut Roewer (Präsident des TLfV a.D.) vernommen. Der Zeuge Roewer ließ zunächst eine Erklärung durch seinen Rechtsbeistand verlesen, wonach er sich verwehre zum Sündenbock gemacht zu werden. Das TLfV sei keine Strafverfolgungsbehörde. Er wies darauf hin, dass er aufklären wolle, aber die Befragung bislang nicht zur Aufklärung beitrug. Roewer erklärte zu dem am Wochenende vom MDR veröffentlichten Schreiben vom 16.03. 1993, wonach er bereits seine Bereitschaft als Präsident des TLfV nach Thüringen zu kommen signalisiert haben soll, dass ihm dies nicht erinnerlich sei und er die Medienberichte nicht kenne. Eventuell sei er zu diesem Zeitpunkt zu einem Personalgespräch im BMI in Bonn gewesen. Wann er das erste Mal auf einen Wechsel nach Thüringen angesprochen worden sei, wisse er nicht. Zum gesamten Komplex der V-Mann Werbung und Führung sowie zu einzelnen V-Leuten - außer Tino Brandt - konnte / wollte er keine Auskünfte machen. Die Werbung sei Aufgabe der Fachreferate gewesen. Deren Leiter hätten ihn informiert, wenn diese es für nötig erachteten. Zumindest bis zu Roewers Ausscheiden im Jahr 2000 soll es weder ein Reglement zur Abschaltung / Wiedereinsetzung von V-Leuten noch überhaupt zur Führung von V-Leuten gegeben haben. Aus diesem Grunde habe man auch nicht gegen Vorschriften verstoßen können. Die Vorschriften des Bundes seien nicht anwendbar gewesen. Zu den Informationswegen im Amt führte er aus, dass ihm Post des TIM zwingend vorzulegen war, aber es in jedem Falle sei die gesamte Post nicht über seinen Tisch gegangen. Einen Geschäftsverteilungsplan habe es nicht gegeben. Aus den Betreffen ergäbe sich, an wen im Hause das Schreiben zu leiten sei. Nach seinen praktischen Erfahrungen befragt antwortete er, er habe sechs bis sieben Jahre Erfahrung im Bereich der Fachaufsicht für den Verfassungsschutz. Ebenso habe er im BMI ein „relativ großes“ Referat mit 20-30 MitarbeiterInnen geführt, jedoch zuvor noch keine Abteilung oder gar ein Amt. In seiner Amtsführung habe er ein gewisses Tempo vorgegeben, womit eventuell andere Schwierigkeiten hatten. An sich habe er aber, wie geschrieben wurde, keine Wesensänderung festgestellt. Das TLfV sollte durch Einstellung von AkademikerInnen, die eine breite Ausbildung hatten und den Anforderungen des Dienstes standhalten können, auch eine „Intelligenzspritze“ erhalten. Diese Initiative soll auf den damaligen Innenminister Dewes zurückgegangen sein. Diese wären allerdings keine „jungen Leute“ gewesen, sondern hatten bereits erste Berufserfahrung gesammelt. Ziel war die Schaffung einer funktionierenden Behörde. Roewer verwies darauf, dass die Aufsicht über sein Amt weitgehend auf die Staatssekretäre Krämer und später Lehnert übertragen war. So seien zunächst monatliche, später sogar wöchentliche Gespräche hierzu geführt worden. Die Aufsicht sei so sehr eng gefasst gewesen. Noch nicht geklärt ist die Frage, ob sich das TLfV für ein Vereinsverbot des THS eingesetzt habe. Roewer behauptet, dass entsprechende Entwürfe gefertigt wurden. Entsprechende Vorhalte aus den Akten lassen aber die Ansicht zu, dass das TLfV der Ansicht sei, ein Verbotsverfahren führe nicht zum Erfolg. Zum Film von Rayk Seela führte er aus, dass dieser die Rohmaterialsammlung für Stimm- und Bildproben zur Zielsetzung hatte. Er sei zudem sehr geeignet die Wirklichkeit in Thüringen abzubilden. Gleichzeitig sollte er aber auch die „linke“ Fraktion beleuchten. Thüringer Kreuzverbrennungen seien ihm nicht bekannt, vor allem nicht, dass Zschäpe und Böhnhardt daran teilnahmen. Er hätte auch keine Erinnerungen an den KKK in Thüringen. Weiter habe er sich nicht aktiv in die Führung von V-Leuten eingeschaltet. Nur bei der Abschaltung von Tino Brandt habe er eingegriffen. Er habe die schriftliche Weisung erteilt, Brandt abzuschalten, da er abredewidrig in die NPD eingetreten sei und dort eine führende Position übernommen habe. Eine Überwachung (G10-Maßnahme) Brandts, dass er nicht nachrichtenehrlich war, d.h. nicht vollständig berichtet habe. Roewer hielt und halte immer noch dessen Abschaltung für notwendig, da sich Brandt wegen Aktionen der Rechten an die Medien wandte. Brandt sei „aus dem Ruder gelaufen.“ Die Entscheidung soll mit Nocken diskutiert worden sein, der sich über Roewers Entscheidung verblüfft zeigte. Nichtsdestotrotz war Brandt eine wichtige Quelle und der „Zugang zum THS“. In der Rückschau sei es im Umgang mit Rechtsextremismus sein Wille gewesen, diese „Leute abzuräumen“. Seine Beurteilung, dass die drei Personen (TRIO) gefährlich seien, habe sich als richtig herausgestellt. Befragt zu G-10-Maßnahmen gibt Herr Roewer Auskunft darüber, dass diese Maßnahmen von der G10 – Kommission geprüft wurden, die sich zu keinem Zeitpunkt beschwert habe. Roewer wird weiter ein Bericht aus dem Monatsbericht des TLfV vorgehalten. Dabei ging es um ein Projekt, bei dem junge, wehrpflichtige Neonazis resozialisiert werden sollten. Er äußerte sich dahingehend, dass es hierbei darum ging, den jungen Männern die rechtsextremen Flausen durch Beschäftigung auszutreiben. Seit dem 1996 soll es einen entsprechenden Austausch von Daten gegeben haben, wobei das TLfV die Bundeswehr nur informiert habe. Entsprechende Maßnahmen hätte dann, falls erforderlich, die Bundeswehr selbst eingeleitet. In diesem Zusammenhang seien Namenslisten dahingehend durchgesehen worden, „ob da entsprechende Kundschaft dabei“ war. Man habe dann die Bundeswehr über die Erkenntnisse informiert, d.h. wenn sich einzelne darunter befanden, die Wehrdienst leisten wollten. Dieses „Resozialisierungsprogramm“ habe jedoch nichts mit der mit Operation Rennsteig zu tun gehabt. Zu seinem öffentlichen Auftritt als „Ludendorff“ befragt, führt er aus, er sei nie als Ludendorff aufgetreten, sondern als einer dessen größter Kritiker, (Max) Hoffmann. Anhand der Details des Kostüms würde man dies erkennen. Aufgrund von Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit misslungenen Aktionen des LKA hat das TLfV um das Jahr 1996 herum begonnen eventuelle illegale Informationsflüsse aus der Polizei heraus zu untersuchen. Ende 1995 / Anfang 1996 sei es zu einer Vielzahl an „Durchstechereien“ von Informationen an die Medien zu laufenden Polizeiuntersuchungen gekommen. Hierzu zählte Roewer aber auch die Garagendurchsuchung am 26.01.1998. Es seien auch Unwahrheiten über den damaligen Präsidenten des LKA Kranz verbreitet worden. Er prägte für die Aktion den Begriff „Sammelvorgang“. An Ergebnisse oder Konsequenzen könne er sich aber nicht mehr erinnern. Berichtet wurde an die Staatssekretäre. An rechts orientierte Polizisten könne er sich auch nicht erinnern.

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