Bericht zum Fachgespräch „Selbstbestimmt auch nach dem Tod - Bestattungsformen in Thüringen“ am 18. November 2022

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Bericht zum Fachgespräch „Selbstbestimmt auch nach dem Tod - Bestattungsformen in Thüringen“ am 18. November 2022

Am 18. November fand unser Fachgespräch zum Thema „Selbstbestimmt auch nach dem Tod - Bestattungsformen in Thüringen“ im Thüringer Landtag statt. Hintergrund dieses Fachgesprächs war die Tatsache, dass selbstbestimmte und individuelle Entscheidungen im Bereich von Bestattungen durch das Thüringer Bestattungsgesetz sehr stark eingeschränkt werden. Momentan gibt es in Thüringen die Optionen der Sarg- sowie der Urnenbestattung. In anderen Ländern und Bundesländern gibt es jedoch eine viel größere Entscheidungsvielfalt. Beispielsweise gibt es die Möglichkeit der Ascheteilung. Weitere Alternativen zum Sarg sind die Tuchbestattung sowie die sogenannte Reerdigung. Hinter allen Ansätzen und Wünschen der Menschen, wie auch den technischen Überlegungen zur Klimakrise, muss vor allem die Würde des Menschen im Vordergrund stehen. Das Thema Bestattungen ist ein sensibles, sehr persönliches und auch gesellschaftliches Thema. Wir wollten als Fraktion herausfinden, ob und wie eine Liberalisierung des Thüringer Bestattungsgesetzes in Thüringen möglich ist. Um einen Überblick über mögliche Ansätze sowie Perspektiven zum Thema Bestattungen zu erhalten, haben wir zu einem Fachgespräch in den Thüringer Landtag eingeladen. 

Um 10 Uhr startete das Fachgespräch mit einer Begrüßung durch unsere Fraktionsvorsitzende und religionspolitische Sprecherin Astrid Rothe-Beinlich. Astrid beschrieb in ihrer Ansprache, weshalb eine Liberalisierung des Thüringer Bestattungsgesetzes nötig sei und definierte Bestattungsformen als Ausdruck einer gewachsenen Kultur, die sich mit der Zeit immer wieder verändert haben. Deshalb sollte das Gesetz auch heute zeitgemäß sein und sich an den Wünschen der Menschen orientieren. Im Anschluss begrüßte unsere innen- und kommunalpolitische Sprecherin Madeleine Henfling die Teilnehmenden und bestärkte die Relevanz dieses Fachgesprächs. "Themen rund um den Tod werden eher als Nischenthemen behandelt. Dabei betrifft es uns nun einmal alle. Wir haben in Thüringen das strengste Bestattungsgesetz in Deutschland. Deshalb wollen wir uns als bündnisgrüne Fraktion damit befassen, wie dieses Gesetz liberalisiert werden kann. Dabei gilt es nicht nur, die religiösen und gesellschaftlichen Aspekte, sondern auch den Klimaschutz zu beleuchten“, so Madeleine.

Im ersten Vortrag des Tages informierte Sarah Benz (Dipl. Sozialpädagogin, Notfallseelsorgerin, Trauerbegleiterin, Bestatterin) über individuelle Bedürfnisse von Verstorbenen und der Zugehörigen. Sie zeigte auf, wie die Arbeit von Bestatter*innen durch das restriktive Gesetz in Thüringen belastet wird. Außerdem betonte sie die Relevanz des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Thema „Tod“. Friedhöfe nannte sie hier als ein Beispiel, denn diese waren ursprünglich als Begegnungsstätte für alle gedacht. Es stellt sich also die Frage, wie Friedhöfe wieder dazu werden können. Anschließend sprach Prof. Dr. Rupert Scheule (Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Regensburg) über Bestattungskulturen im Islam, Judentum und Christentum. In seinen Augen beteiligen sich Religionen am Diskurs über Privatheit und Öffentlichkeit von Trauer und spielen so eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Kontext. Er stellte zudem die These auf, dass Religionen anpassungs- und veränderungsfähig sind und wir die Religionen an diese Anpassungsfähigkeit erinnern sollten. Im Gespräch mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass das Reden miteinander vor dem Todesfall wichtig ist, damit Wünsche der Verstorbenen sowie der Angehörigen berücksichtigt werden können.

Dr. Mark Benecke (Kriminalbiologe und insektenkundlicher Gutachter) hielt nach der Mittagspause digital einen Vortrag über die biologischen Prozesse während der Zersetzung von Leichen im Leichentuch und im Sarg. Er gab darüber hinaus einen Ausblick zum Einfluss der Klimakrise auf die Bestattungskultur. Hier erläuterte er, dass ein steigender Meeresspiegel in einigen Teilen der Welt dazu führen könnte, dass die Bestattungsform der Beisetzung unter der Erde abgeändert werden müsste. Außerdem betonte er, dass die Ausrottung wichtiger Insekten ebenfalls ein großes Problem darstellen werde. „Wenn beispielsweise keine Regenwürmer für die Kompostierung da sind, sieht es schlecht für die Verwesung von Menschen auf Friedhöfen aus. Das ist langfristig ein Problem", so Benecke. Auch die Ökobilanz der Kremierung ist sehr schlecht, da sie mit einem hohen Erdgasverbrauch sowie einer hohen Kohlendioxidbelastung einhergeht. Im Fall der Sargbestattung treten ebenfalls Probleme auf: Häufig sind Särge zu dicht verschlossen, sodass der Verwesungsprozess immer schwieriger und langwieriger wird. In Zeiten der Klimakrise ist es wichtig, über solche Themen zu sprechen, auch wenn sie morbide erscheinen. Wir müssen uns die Frage stellen, was die Klimakrise in Zukunft mit unserer Bestattungskultur macht. Die Reerdigung ist dabei die klimaschonenste Form der Bestattung, betonte auch Dr. Mark Benecke. Dabei wird der Verwesungsprozess des Leichnams durch natürliche Prozesse verkürzt.

Zum Abschluss unseres Fachgesprächs diskutierten unsere Abgeordnete Madeleine Henfling, Katharina Schenk (Staatssekretärin im Thüringer Innenministerium) und Gerd Rothaug (Landesinnungsmeister des Bestatterverbandes Thüringen) gemeinsam mit den Teilnehmer*innen über die Möglichkeiten zur Liberalisierung des Bestattungsgesetzes in Thüringen. Hier kam es zu einem regen Austausch. Unter anderem wurde Madeleine gefragt, was sie als wichtigste und drängendste Änderung im Thüringer Bestattungsgesetz verankert sehen würde: „Das Gesetz muss die Realität abbilden. Ziel ist hier nicht einfach nur jeden Wunsch umzusetzen, sondern einen Abwägungsprozess zu ermöglichen, um alle wichtigsten Aspekte zu berücksichtigen." Weiterhin betonte Gerd Rothaug: „Es muss ein Rahmen geschaffen werden, um die Bedürfnisse für die Hinterbliebenen, aber auch die Sterbenden zu realisieren“. Katharina Schenk unterstrich die Aussage, dass die gesetzlichen Normierungen zurzeit nicht optimal sind: „Ein Gesetz sollte nicht dem Trauern im Weg stehen. Wichtig sind die Gesundheit und Hygiene, aber ebenso die Kosten. Dies ist zentral-gesetzlich zu regeln. Alles andere sollte freier sein.“

Die wichtigste Erkenntnis unseres Fachgesprächs? Menschen möchten und sollen auch andere Formen von Bestattungen wählen können als sie derzeit in Thüringen zulässig sind. Dabei gilt es, den Blick auf die verschiedenen Bereiche Religion, Ethik und Klimaschutz zu richten. Das Fachgespräch hat für uns als Fraktion einen guten Überblick geschaffen über die verschiedenen Perspektiven zum Thema Bestattungen und war geprägt von Verständnis füreinander sowie konstruktiven Debatten. Es wurde deutlich, dass die Menschen in den Prozess eingebunden werden wollen. Da besteht Konsens auf allen Seiten. Wir bedanken uns bei allen Referent*innen und Teilnehmer*innen für diese wirklich spannende und interessante Veranstaltung!

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