Am 1. November 2023 wurde in der 119. Sitzung des Thüringer Landtages der Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen beschlossen, wodurch das Thüringer Rettungswesen durch Digitalisierung gestärkt werden soll.
Die Anhörung zum Thüringer Rettungsdienstgesetzes hat ergeben, dass der Einführung von Innovationen im Thüringer Rettungsdienst wie dem Telenotarzt oder den digitalen Betten- und Versorgungskapazitäten grundsätzlich wohlwollend begegnet wird. Systeme wie der Telenotarzt bieten die Chance, Patienten auf eine Art und Weise zu helfen, die vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Da im Rettungswesen etwa kritische Fragen wie Versorgungssicherheit, Haftung oder Datenschutz erheblich berührt sind, kommt es jedoch in besonderem Maße auf eine gelungene Umsetzung an. Der hiesige Entschließungsantrag zielt darauf ab, solche Fragen einer sensiblen Umsetzung digitaler Innovationen im Rettungswesen parlamentarisch eng zu begleiten.
Im Rahmen der Anhörung wurde intensiv diskutiert, inwieweit die Ausbildung der Telenotärzte an der Lehrleitstelle in Gera erfolgen sollte, um eine einheitliche Qualifizierung zu gewährleisten. Allerdings ist die Ausbildung der Telenotärzte sachlich wie örtlich Aufgabe der Landesärztekammer. Dessen unbenommen ist eine möglichst einheitliche Qualifizierung der Telenotärzte in den Blick zu nehmen. In Nordrhein-Westfalen etwa haben die dortigen Ärztekammern im Jahr 2020 ein einheitliches Curriculum verabschiedet, um landesweit Standards für Qualifikationsvoraussetzungen und Ausbildungsinhalte festzulegen. Vor diesem Hintergrund wird ausdrücklich unterstützt, dass der Landesbeirat Rettungswesen bereits im vergangenen Jahr Anforderungs- und Qualitätskriterien für den Telenotarzt beschlossen hat. Die Ausbildung anhand eines entsprechenden Curriculums (erarbeitet durch die Landesärztekammer und die Arbeitsgemeinschaft Thüringer Notärzte) wird bekräftigt.
Die vorgesehene Möglichkeit der Übernahme von Sekundärtransporten durch den Telenotarzt wurde in der Anhörung ebenfalls eingehend beraten. Die neue Gesetzesregelung weist dem Telenotarzt richtigerweise eine eindeutige Entscheidungsverantwortung in dieser Frage zu. Gleichwohl sind hier ausweislich der Anhörung auch legitime Belange der nichtärztlichen Transportbesatzung berührt - namentlich insbesondere die Gewährleistung einer sicheren Durchführung des Transportes. Daher sollte gerade auch diesen Belangen Rechnung getragen werden in der untergesetzlichen Ausgestaltung der Entscheidungsabläufe zur Einsatzübernahme. Dies kann zum Beispiel in Form einer Checkliste für den Telenotarzt sowie einer Verfahrensanweisung für die Notfallsanitäter realisiert werden (analog der schon verfügbaren Verfahrensanweisungen für Notfallsanitäter in Thüringen).
Die wissenschaftliche Begleitung der Einführung des Telenotarztes wurde von einer Vielzahl der angehörten Institutionen befürwortet. Sie stellt einen Mittelweg dar zwischen den ebenfalls vorgebrachten Sichtweisen, die Gesetzesänderung zunächst in einer Arbeitsgruppe vorzubereiten oder aber den Telenotarzt "ohne Weiteres" landesweit auszurollen. Studien aus anderen Bundesländern haben aufgezeigt, dass der Telenotarzt zu einer Qualitätssteigerung im Rettungswesen beitragen kann. Die wissenschaftliche Begleitung soll daher ausdrücklich nicht redundant zur bisherigen Forschungslage angelegt sein. Vielmehr könnte die wissenschaftliche Auswertung Umsetzungsfragen wie beispielsweise landesspezifische Eigenheiten des Thüringer Telenotarztsystems sowie etwaige Einsatzunterschiede in verschiedenen Landesteilen in den Blick nehmen. Ein Mehrwert besteht weiterhin darin, dass dem Landtag mit dem Bericht an den zuständigen Ausschuss auch für die Beurteilung künftiger Digitalisierungsvorhaben relevante Erfahrungswerte zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurden auch die smartphonebasierte Ersthelferalarmierung und der elektronische Betten- und Versorgungskapazitätennachweis beraten. Die Alarmierung per ErsthelferApp hat sich in verschiedenen Studien als Instrument zur Überbrückung des reanimationsfreien Intervalls bewährt und wurde deutschlandweit in über hundert Landkreisen implementiert. Für eine gelungene Umsetzung des elektronischen Betten- und Versorgungskapazitätennachweises ist anzustreben, dass im System auch die Kapazitäten von Krankenhäusern außerhalb Thüringens angezeigt werden. Dies ist vor allem dort wichtig, wo Kliniken in der Nähe benachbarter Bundesländer regelmäßig angefahren werden.