Bericht zur Online-Veranstaltung: „Gewaltschutz vs. Umgangsrecht - Wenn Opfern die Nähe zu ihren Tätern gerichtlich angeordnet wird“

Bericht zur Online-Veranstaltung Gewaltschutz vs. Umgangsrecht

Frauen wie Männer können Opfer von häuslicher Gewalt werden. Aufgrund struktureller Probleme in unserer Gesellschaft sind jedoch häufiger Frauen davon betroffen. Auch häusliche Gewalt in der Familie hat viele negative Auswirkungen. Nicht nur für die Mütter, sondern auch für die Kinder, die mittelbar und unmittelbar davon betroffen sind. Einerseits erleben die Kinder die Gewalt gegen ihre Mutter, andererseits werden sie manchmal selbst Opfer. Eine Trennung bedeutet leider auch nicht immer das Ende von häuslicher Gewalt. Auch während und nach der Trennungsphase können Konflikte eskalieren, die im schlimmsten Fall mit der Tötung der Frau, einem Femizid, enden können.

Wenn es sich um eine gerichtliche Entscheidung zu Sorge und Umgang handelt, wird die obengenannte Situation nach Berichten von Betroffenen meist zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. Im Fall eines Umgangsrechtsstreits wird der Schutz der Frau gegenüber dem Umgangsrecht des gewalttätigen Elternteils zu selten in Betracht gezogen. Gewaltschutz muss aber bei Entscheidungen zum Umgangsrecht konsequent berücksichtigt werden und Schutzanordnungen an den Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes orientiert sein. Auch dieses gilt es zu reformieren, damit Situationen von häuslicher Gewalt bei Umgangsstreitigkeiten angemessen miteinbezogen werden.

Die Fälle häuslicher Gewalt nahmen seit Beginn der Corona-Pandemie zu. Nach einer Veranstaltung zum Thema im November 2020, folgte nun die nächste einer geplanten Reihe. Organisiert und moderiert von unseren Abgeordneten Madeleine Henfling und Laura Wahl fand am 28. Januar die Online-Veranstaltung „Gewaltschutz vs. Umgangsrecht - Wenn Opfern die Nähe zu Ihren Tätern gerichtlich angeordnet wird“ statt. Eingeladen war zudem Nadine Maiwald, Fachanwältin für Familienrecht, aus Leipzig.

Bereits zu Beginn erklärte Frau Maiwald den §1684 BGB, in dem das Umgangsrecht geregelt wird. Absatz 1 des Paragraphs besagt: „Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt“. Das Umgangsrecht ist allerdings vom Wohlbefinden des Kindes abhängig. Wenn das Kind jedoch bspw. durch häusliche Gewalt gefährdet ist, kann der gewalttätige Elternteil sein Recht auf Umgang mit dem Kind verlieren. „Es wird aber immer anders damit umgegangen, da die Juristen*innen individuell entscheiden, was sie als schädlich für das Wohlbefinden des Kindes bewerten“, betonte die Anwältin. Auch die Rolle des Allgemeinen Sozialdienst (ASD) sowie der Umgang beim ASD mit Meldungen zu häuslicher Gewalt wurde thematisiert. „Der ASD kontaktiert die Mutter und empfiehlt ihr, sich von dem gewalttätigen Partner zu trennen. Sobald sie dieser Empfehlung nachgeht, geht das ASD oft davon aus, dass Mutter und Kind nicht mehr im Gefahr sind. Doch die Trennung beendet nicht zwangsläufig auch die Gewalt. So wenden viele Täter andere Strategien an, um Gewalt weiter ausüben zu können, bspw., durch „Stalking“ oder Drohungen“, fasst Maiwald die Problematik zusammen.

Gerade psychische Gewalt ist vor Gericht schwieriger zu beweisen, da sie oft nur mündlich geschieht und für die Betroffenen nicht nachweisbar sind. „Das Gericht weiß zum Teil dann nicht, was alles passiert, versucht es, einen Kompromiss zwischen beiden Seiten zu schaffen. Das sind aber oft faule Kompromisse“, erklärt Maiwald. Gerichte versuchen immer wieder eine Brücke zu bauen, damit das Kind eine Beziehung zu beiden Eltern erlaubt wird, trifft jedoch zu selten die Entscheidung, dass der Vater sowohl eine Anti-Aggressionstraining absolvieren, als auch Verantwortung für sein Verhalten übernehmen muss und nur unter diesen Bedingungen ist das Umgang mit seinem Kind erlaubt. „Das ist für das Kind sehr verwirrend, weil es oft nicht versteht, warum es weiter mit jemandem interagiert, der seiner Mutter und ihm Schaden zugefügt hat.“ Das Einleiten des Gewaltschutzes für die Mutter funktioniert nach Meinung von Maiwald meist „ganz gut“. „Was man nicht schafft, ist – auch wenn es teilweise erforderlich ist - ein Kontakt-Annährungsverbot für das Kind“, betont Maiwald.

Letztendlich fordert sie zwei Dinge: Erstens, dass Jurist*innen hinterfragen, ob die gute Beziehung mit beiden Eltern tatsächlich dem Kindeswohl entspricht. Zweitens, ob bestimmte Fällen nicht Ausnahmen und Einschränkungen verlangen.

Im Anschluss an den Input von Maiwald startete die Diskussion. Dabei wurde die Istanbul-Konvention als wichtige Grundlage hervorgehoben, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Wir bedanken uns für die spannende Diskussion und die interessanten Perspektiven, die eingebracht wurden, einerseits bei Frau Maiwald anderseits bei Laura und Madeleine sowie alle Teilnehmer*innen und sind gespannt auf die nächste Online-Veranstaltung zur Thematik.