„Bindungen schafft Bindungen!“

Prof. Best

Prof. Dr. Dr. Heinrich Best ist Soziologe und forscht am Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratie und gesellschaftliche Integration der Uni Jena. Außerdem ist er wissenschaftlicher Leiter für den Thüringen-MONITOR. Wir trafen ihn zum Interview.

Herr Prof. Best, was sind die wichtigsten Erkenntnisse des Thüringen-Monitors?

Prof. Heinrich Best: Die wichtigste Erkenntnis des Thüringen-Monitor 2018 war für mich, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Thüringen außerordentlich stark ausgeprägt ist und sich die Menschen als Teil einer Kette sozialer Gemeinschaften empfinden, die von der Gemeinde bis zur Nation und für eine große Mehrheit von ihnen darüber hinaus bis Europa reicht. Wir haben festgestellt: Bindungen schaffen Bindungen!

„Heimatliebend aber fremdenfeindlich“ – so wurde das von der Presse zusammengefasst. Trifft diese Aussage zu?

Prof. Best: An dieser Titelzeile ist – wie an den meisten Stereotypen – etwas Wahres: Thüringer*innen sind im hohen Maß heimatverbunden und sie haben – wie andere Ostdeutsche auch – häufiger Ressentiments gegenüber Ausländern, insbesondere Fluchtmigranten, als der Bundesdurchschnitt. Aber: es gibt keinen Kurzschluss zwischen Heimatliebe und Fremdenfeindlichkeit. Erst wenn man die Zugehörigkeit zur heimatlichen Menschengemeinschaft exklusiv fasst und hohe Hürden aufbaut, neigt man auch mehr zum Ethnozentrismus. Andererseits gilt: Starke Bindungen an den Heimatort und die Heimatregion haben hier sogar eine dämpfende Wirkung.

Die Ergebnisse im TM deuten auf die Tendenz hin, dass die Thüringer sich abschotten wollen. Stimmt das?

Prof. Best: Das gilt nicht generell: Eine knappe Mehrheit ist dafür, sich gegenüber fremden Kulturen zu öffnen und eine größere Mehrheit ist dafür, ausländische Arbeitnehmer*innen anzuwerben. Ablehnung erfährt aber eine Zuwanderung, von der man befürchtet, dass sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.

Welche Ergebnisse sind aus ihrer Sicht besonders besorgniserregend?

Prof. Best: Die Skepsis gegenüber der Integrierbarkeit von Fluchtmigranten hat zugenommen und nähert sich der 2/3-Marke der Befragten. Besonders hoch – und das ist wirklich besorgniserregend – ist sie bei den Befragten, die angeben, häufig Kontakt zu Migranten zu haben.

Welche Ergebnisse sehen Sie positiv?

Prof. Best: Positiv sehe ich, dass noch immer eine Mehrheit der Befragten eine freundliche Grundempfindung gegenüber Migranten hat, dass der Anteil derjenigen, die die Demokratie abstrakt als beste Staatsform ansehen, noch immer auf Rekordniveau ist, und dass auch noch immer eine Mehrheit der Befragten die demokratische Praxis im Land positiv bewertet.

Gibt es Vergleichswerte aus anderen Bundesländern?

Prof. Best: Inzwischen gibt es ja Monitore in Sachsen und Sachsen-Anhalt, außerdem können wir die früheren Mitte-Studien und die Nachfolgeuntersuchungen aus Bielefeld und Leipzig zu Vergleichen heranziehen. Das Problem ist hier, dass die Antwortskalierungen zum Teil vom Thüringen-Monitor abweichen.

Wie unterscheiden sich die Thüringer zu den anderen Bundesländern?

Prof. Best: In der Tendenz zeigt sich jedoch eine weitgehende Übereinstimmung in den ostdeutschen Bundesländern, dort, wo die Werte unmittelbar vergleichbar sind, manchmal sogar punktgenau. Im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern liegen die Werte für Ethnozentrismus in Thüringen wie im übrigen Ostdeutschland höher.

Auf der einen Seite sind die Thüringer sehr traditionsbewusst, andererseits scheint es, als „gönnen“ sie Geflüchteten nicht, ihre Traditionen zu leben. Ist das so?

Prof. Best: Ich denke, es ist keine Frage des „Gönnens“, sondern eine der wahrgenommenen Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch „fremde“ Kulturen. Auch erinnere ich daran, dass noch immer eine Mehrheit der Menschen in Thüringen Offenheit gegenüber fremden Kulturen unterstützt, was aber nicht für alle Kulturen und mit diesen verbundene Traditionen gilt. Hier wird also in der Bevölkerung differenziert.

Wir bedanken uns für das Gespräch.

 

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