Faktencheck: Parlamentsbeteiligung in Pandemie-Zeiten
Worum geht's?
Seit Beginn der Corona-Pandemie vollzieht sich die Entscheidungsfindung zur Pandemiebekämpfung fast ausschließlich innerhalb der Exekutive. Die Parlamente sind derzeit formal nicht an diesen Entscheidungen beteiligt, obwohl es sich bei vielen der Maßnahmen um spürbare Grundrechtsbeschränkungen handelt, mit massiven Folgen für das politische und gesellschaftliche Leben. Dieses Vorgehen ist aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst bedenklich und führt zu intransparenten Entscheidungsprozessen. Auch der für die gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen so notwendige parlamentarische Diskurs wird damit ausgesetzt. Gerade zu Beginn der Pandemie war zweifellos ein zügiges Handeln notwendig, um Leben und Gesundheit der Bürger*innen zu schützen. Nach mehr als einem Dreivierteljahr können solch weitreichenden Grundrechtseinschränkungen jedoch nicht mehr mit dem Argument der Eilbedürftigkeit ohne Beteiligung der Parlamente entschieden werden. Hier braucht es eine eindeutige und nachvollziehbare parlamentarische Grundlage.
Welche Möglichkeiten der Parlamentsbeteiligung gibt es?
Aktuell wird bundesweit über verschiedene Möglichkeiten der Parlamentsbeteiligung in Pandemiezeiten diskutiert.
Art. 80 Abs. 4 GG ermöglicht es den Landesparlamenten, sich an der Verordnungsgebung des Landes zu beteiligen. Die Landtage können beispielsweise selbst anstelle einer Verordnung Gesetze erlassen (Verordnungsvertretende Gesetze). Auch können Gesetze erlassen werden, die einen Zustimmungs-, Veto- oder Aufhebungsvorbehalt der Landtage zu den Corona-Schutzverordnungen enthalten. Schließlich können die Landtage auch durch Vorabinformationspflichten, Anhörungsrechte oder besondere Begründungspflichten am Verfahren über die Corona-Schutzverordnungen beteiligt werden.
Wie ist der aktuelle Stand dazu in Thüringen?
- Bereits seit vielen Monaten diskutieren die Abgeordneten des Thüringer Landtages im Plenum und in den Fachausschüssen darüber, wie das Parlament besser beteiligt werden kann an den Verordnungen der Landesregierungen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Als Ergebnis dessen haben wir im Dezemberplenum einen Antrag verabschiedet, der die Beteiligung des Landtages vor der Verabschiedung einer neuen Corona-Verordnung vorsieht.
- Danach sollen Verordnungsentwürfe unverzüglich und unter Beteiligung des Ältestenrates zur fachlichen Beratung an die Fachausschüsse überwiesen werden. Diese können dann Stellungnahmen abgeben, die im Ältestenrat beraten und der Landesregierung zugeleitet werden.
- Auf Antrag einer Fraktion im Ältestenrat können die Stellungnahmen auch weiterführend im Plenum diskutiert werden.
- Wir Bündnisgrüne haben erreicht, dass alle Gremiensitzungen, in denen Corona-Verordnungen behandelt werden, öffentlich sind und digital stattfinden können. So legen wir Abwägungs- und Entscheidungsprozesse offen und schaffen über Transparenz mehr Akzeptanz für erforderliche Maßnahmen zur Pandemieeindämmung.
- Ebenso brachten wir eine Evaluierung der bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durch Expert*innen auf den Weg. Ein erster Bericht soll im März 2021 vorliegen.
- Zusätzlich wird gegenwärtig der Entwurf einer Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Landtag über die Beteiligung des Landtags beim Erlass infektionsschützender Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie im Ältestenrat diskutiert.
- Dieser beinhaltet vor allem Einflussmöglichkeiten des Parlaments nach der Verkündung einer Corona-Verordnung. Die Vereinbarung soll in Kürze verabschiedet werden.