Zusammenfassung zum Untersuchungsausschuss 7/3 „Politische Gewalt in Thüringen“

NSU - Untersuchungsausschuss

Im Juli 2021 wurde im Plenum des Thüringer Landtages auf Antrag der Mitglieder der CDU-Fraktion der Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses 7/3 "Politische Gewalt: Umfang, Strukturen und politisch-gesellschaftliches Umfeld politisch motivierter Gewaltkriminalität in Thüringen und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung" - kurz: "Politisch motivierte Gewaltkriminalität in Thüringen" - gefasst.
 

Um was geht’s?
Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags wurde durch die CDU eingerichtet, um die politische motiviere Kriminalität im Freistaat zu untersuchen (Drucksache 7/3666). Dabei suggerierten sie auch, dass es in Thüringen linksterroristische Strukturen geben würde – eine Behauptung, die der Untersuchungsausschuss später widerlegen konnte. Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war im Untersuchungsausschuss 7/3 durch die Abgeordnete Laura Wahl (bis September 2023 Madeleine Henfling) als Mitglied vertreten. 
 

Anhörung von Sachverständigen und Vernehmung von Zeug*innen
Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich intensiv mit den Grundlagen der Arbeit von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Vielfach ging es darum, ob die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden angemessen ausgestattet sind, welche strukturellen Mängel das Definitionssystem des Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) habe oder inwieweit die Extremismustheorie staatliches Handeln und politische Diskussion eine wissenschaftliche Grundlage haben und nicht zuletzt, ob Polizei und Justiz einzelne Gruppierungen ausreichend ernstgenommen haben. 

Ein Schwerpunkt der Arbeit stellte die Untersuchung der Strukturen der extremen Rechte in Thüringen dar, insbesondere hinsichtlich den Aktivitäten, verschiedenen Gruppierungen, den Immobilien, dem Kampfsport, Rechtsrock und Versandhandel als Mittel um Ideologie zu verbreiten und Finanzmittel zu generieren. In dem Zusammenhang wurden auch der verschwörungsideologische Souveränismus (sogenannte Reichsbürger) und Pandemieleugner als Teil einer „Mosaik-Rechten“ untersucht sowie die Rolle der AfD zur Vernetzung und als parlamentarischer Arm der extremen Rechten. Weiter gab es umfangreiche Sitzungen zu Antisemitismus oder Islamismus. 

Bei ausgewählten Sachverständigen und Zeug*innen der CDU wurde nach den Fallzahlen der PMK und dem sogenannten Linksextremismus gefragt. Die Anhörung eines Zeugen der AfD musste abgebrochen werden, weil dem Untersuchungsausschuss der Wahrheitsgehalt der Aussage unklar war.
 

Wie lief die Befragung?
Es wurde deutlich, dass die Ausstattung der Sicherheitsbehörden in der Regierungszeit von rot-rot-grün verbessert wurde. Dagegen mangelt es an wissenschaftsbasierten Arbeits- und Erfassungsgrundlagen der Sicherheitsbehörden. Hierbei sei zunächst die Extremismustheorie, die als sicherheitspolitisches Konzept aus der Zeit des Kalten Krieges beschrieben wurde, verschiedene Phänomenbereiche unzulässig gleichsetzt und daher die Analyse von Bedrohungen der Demokratie erschwert. Auch das polizeiliche Definitions- und Erfassungssystem PMK hat erhebliche Defizite, was sich unter anderem in einer erheblichen Anzahl an „nicht zuordnenbaren“ Straftaten ausdrückt, die als Reichsbürger oder Pandemieleugner eigentlich ideologisch der extremen Rechten zuordnen ließen. Auch die Vorurteilskriminalität (auch bekannt als Hasskriminalität) wird durch die konzeptlose Integration in den Meldedienst massiv untererfasst. Der Meldedienst strukturiert die Ermittlungsarbeit und behindert daher eine verlässliche Einordnung, Ermittlung oder später auch eine Anklage, welche politische Hintergründe und Vorurteilsmotive strafverschärfend berücksichtigt. Hierzu haben wir ein Gutachten durch Dr. Britta Schellenberg erarbeiten lassen, wie eine Weiterentwicklung aussehen kann.

Alle Sachverständigen berichteten übereinstimmend, dass die extreme Rechte die größte Herausforderung in Thüringen darstellt. In Thüringen hat sich eine „Mosaik-Rechte“ entwickelt, die trotzt ideologischer Unterschiede zusammenwirkt. Hier wurde eine Vielzahl an Gruppierungen deutlich, die weitgehend ungestört agieren konnten – hier herausgegriffen werden könnten beispielsweise die jüngst Verurteilten Mitglieder von Knockout 51 oder die ebenso Verurteilten Angehörigen der Bruderschaft Thüringen (Turonen/Garde20), wo ein konsequentes Eingreifen der Thüringer Behörden über Jahre ausblieb. Als Fraktion stellte dabei insbesondere der Rechtsrock ein Schwerpunkt dar, der im Sondervotum näher ausgeführt ist. Auch ist der behördliche Umgang mit der Verfolgung der Vorurteilskriminalität und den drei vorurteilsmotivierten Morden durch Thüringer Täter mit rechten Hintergrund näher ausgeführt.

Zu sogenannten Linksextremismus in Thüringen konnte kein*e Sachverständige*r oder Zeug*in etwas Substanzielles berichten, hingegen bestätigten der Verfassungsschutzpräsident eine Brandanschlagsreihe könnte nicht pauschal der linken Szene zugerechnet werden, der Präsident des Landeskriminalamtes der Meldedienst decke die Behauptung von bestehenden linksterroristischen Strukturen nicht der Herausgeber eines Jahrbuchs zu sogenannten Extremismus Backes sah in Thüringen kein Schwerpunkt linker Gewalt und annähernd vergleichbare Strukturen zur der extremen Rechten. Selbst der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft aus dem Antifa-Ost-Verfahren konnte keine Hinweise zu weiteren Verbindungen nach Thüringen darstellen.
 

Fazit
Die CDU-Fraktion wollte mit dem Untersuchungsausschuss 7/3 zeigen, dass es linksterroristische Gruppen in Thüringen gebe. Damit sind sie grandios gescheitert: Wir haben die große Bandreite tief verwurzelter rechtsextremer und verschwörungsideologischer Strukturen untersucht, die Arbeit von Verfassungsschutz, das polizeiliche PMK-System und die justizielle Aufarbeitung kritisch mit vielen Sachverständigen hinterfragt und machen Vorschläge für eine wirkungsvolle Bekämpfung rechtsextremer und vorurteilsmotivierter Kriminalität in Thüringen. Das Dunkelfeld der Vorurteilskriminalität, zum Beispiel Queerfeindlichkeit, ist nicht ansatzweise beleuchtet, daher braucht es weitere wissenschaftliche Arbeit und eine gesicherte Demokratieförderung.

 

Hier geht es zum Sondervotum

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