Am 23. Mai 2023 fand unser Fachgespräch „Geburtshilfe in Thüringen“ im Café DuckDich in Erfurt statt. Gemeinsam haben wir mit Expert*innen und Interessierten über umfangreiche Maßnahmen gesprochen, die in Zukunft eine bestmögliche Versorgung von Schwangeren, Müttern, Kindern und Familien in Thüringen sicherstellen.
Neben den Referent*innen, Annika Wanierke (Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Thüringen), Kathrin Eichhorn (Leitende Hebamme im Krankenhaus St. Elisabeth und Expertin Hebammenkreißsaal), Dr. Manuel Wilhelm (Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Main-Kinzig-Kreis und Initiator des Pilotprojektes „Hebamme vor Ort“), Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner (Direktor der Klinik für Geburtsmedizin, UK Jena) und Sebastian Lang (Vorstand AG in Thüringen tätige Notärzte e.V. und Initiator des Projektes Baby-Notarzt) nahmen um die 40 Gäst*innen teil, die u.a. in der Geburtshilfe und anderen medizinischen Bereichen tätig sind. Babette Pfefferlein, unsere gesundheitspolitische Sprecherin, moderierte das Fachgespräch.
„‘Geburtshilfe in Thüringen‘ war 2015 die erste Veranstaltung, die ich als Abgeordnete der bündnisgrünen Fraktion organisieren durfte – und ich bin froh und dankbar darüber, dass wir heute ein Stück weiter sind. Dennoch ist auch noch immer ein ganz wichtiges Thema. Schließende Geburtsstationen und der Hebammenmangel sind ein bundesweites Problem. Da brauchen wir in Thüringen mit seinen topografischen und demografischen Herausforderungen neue, gute und pragmatische Lösungen“, begrüßte Babette die Referent*innen und das Publikum.
In Thüringen wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Geburtsstationen geschlossen, vor allem im ländlichen Raum. Weitere stehen vor dem Aus - besonders in Nord- und Ostthüringen. Dies kann zu erheblichen Problemen bei der Geburtshilfe-Versorgung führen, so Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner. Grund für die Schließungen ist u.a. der bestehende Fachkräftemangel, die sinkenden Geburtenzahlen sowie die geringe Wirtschaftlichkeit. Viele Hebammen und Geburtshelfer*innen, die ihre Arbeit in der Geburtshilfe lieben, möchten oder können unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. Es braucht neue Lösungen für Thüringen. Ein zentraler Bereich, der zu besseren Arbeitsbedingungen und größerer Zufriedenheit unter den Hebammen führen kann, ist die Entlastung des Fachpersonals. Die Bewältigung des Fachkräftemangels spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Es geht jedoch nicht nur um die Zufriedenheit der Hebammen selbst, sondern ebenfalls um die umfassende Erfüllung der Wünsche der Gebärenden, bestärkt Annika Wanierke. Einzelne konkrete Erfolgsmodelle wurden in den Blick genommen. Das hessische Pilotprojekt „Hebamme vor Ort“, das von Dr. Manuel Wilhelm vorgestellt wurde, ermöglicht eine gezielte Zusammenarbeit zwischen Hebammen und dem Rettungsdienst. Ruft eine Schwangere den Rettungsdienst an, weil sie es nicht mehr ins Krankenhaus schafft und die Wehen in kurzen Abständen kommen, wird zeitgleich eine Hebamme kontaktiert, die in der Nähe der Schwangeren wohnt. Im Projekt werden die Beiträge zur Haftpflichtversicherung der Hebammen für die Geburtsunterstützung außerhalb des Krankenhauses übernommen. Das ist dort selbstverständlich. Auch wenn nur 5 Prozent aller Geburten in Thüringen im Notfall passieren, ist solch eine vernetzte außerklinische Versorgung eine sehr sinnvolle Ergänzung zum Erreichen einer flächendeckenden Geburtshilfe. Auch die Entwicklung des nächsten Thüringer Krankenhausplans, der für 2024 angestrebt wird und u.a. Standorte von Kliniken und Fachabteilungen beinhalten soll, wird als vielversprechende Chance gesehen, um die Arbeitsbedingungen für Hebammen und Geburtshelfer*innen zu verbessern und den Verbleib oder die Rückkehr in den Beruf wieder attraktiver zu machen, so Annika Wanierke. Geburtshilfe soll als integraler Bestandteil der medizinischen Grund- und Regelversorgung anerkannt werden, sagt sie. Des Weiteren stellte Kathrin Eichhorn das Projekt „Hebammengeleiteter Kreißsaal“ vor. Der Unterschied zur regulären Geburt im Krankenhaus ist, dass ausschließlich Hebammen die Geburt durchführen, ohne ärztliche Intervention. Das Projekt war in Halle sehr erfolgreich und könnte für Thüringen auch Teil der Lösung sein. Darüber hinaus betont Kathrin Eichhorn, wie wichtig ein vertrauensvolles Miteinander ist, um die Selbstbestimmung der Gebärenden auf der einen Seite sowie die Zufriedenheit der Hebammen auf der anderen Seite zu gewährleisten. Annika Warnieke unterstützt das Projekt der Hebammengeleiteten Kreißsäle, meint jedoch, dass mehr passieren und der Fokus auf außerklinische Geburtshilfe gerichtet sein muss, aufgrund von Klinikschließungen wie beispielsweise in Greiz oder Schleiz. Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner sagte abschließend, dass für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung, überlegt werden muss, wie Geburtshilfe im 21. Jahrhundert definiert wird. Es braucht leistungsfähige Krankenhäuser, die arbeitszeit- und tarifrechtliche Regelungen einhalten können (besonders wenn 98 % der Frauen sich für eine klinische Geburt entscheiden). Wichtig ist außerdem: Es braucht einen eng verzahnten Rettungsdienst und eine 1:1 Betreuung.
„Als gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN werde ich die Erkenntnisse unseres Fachgesprächs in meine politische Arbeit integrieren. Es wird immer deutlicher, dass Veränderungen notwendig sind, um eine umfassende medizinische Versorgung für alle Menschen in der Geburtshilfe sicherzustellen“, beendete Babette das Fachgespräch.
Vielen Dank an die Expert*innen, für die interessanten und aufschlussreichen Inputs sowie den Gäst*innen, für ihre zahlreichen Fragen und Debattenbeiträge. Das wird definitiv nicht die letzte Veranstaltung zum Thema sein.