6. Thüringer Sozialgipfel

Plenarsaal
Begrüßung durch Astrid Rothe-Beinlich, Vizepräsidentin des Thüringer Landtags, anlässlich des 6. Thüringer Sozialgipfels zum Thema „SOZIAL ist kein Sparmodell! Sozialwirtschaft fördern. Gerechtigkeit leben. Teilhabe stärken.“ Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Sozialverbände, meine Damen und Herren Abgeordnete, verehrte Gäste, ich begrüße Sie heute hier ganz herzlich zum 6. Thüringer Sozialgipfel. Für die diesjährige Konferenz haben Sie den Titel gewählt: „SOZIAL ist kein Sparmodell! Sozialwirtschaft fördern. Gerechtigkeit leben. Teilhabe stärken.“ Mit diesem durchaus kämpferischen Motto machen Sie deutlich, welche Anliegen Sie im heraufziehenden Landtagswahlkampf verfolgen. Offenkundig geht es Ihnen ganz zentral darum, das soziale Miteinander in Thüringen zu stärken und die soziale Infrastruktur in unserem Land nachhaltig zu verbessern. Den heutigen Gipfel wollen Sie daher nutzen, die Anliegen Ihrer Verbände vorzutragen und den konstruktiven Dialog mit der Politik fortzuführen. Zu diesem Anlass heiße ich Sie herzlich willkommen hier bei uns im Thüringer Landtag. Ich darf Ihnen auch die Grüße der Landtagspräsidentin und Schirmherrin des Sozialgipfels überbringen. Leider kann Frau Diezel Ihre Tagung nicht selbst eröffnen, da sie einen anderen wichtigen Termin wahrnehmen muss.Gern habe ich ihre Vertretung übernommen. Ich freue mich daher über die Gelegenheit, den 6. Thüringer Sozialgipfel eröffnen zu dürfen. Mahatma Gandhi hat einmal sehr treffen formuliert: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. Doch ist uns das immer so bewusst? Ist dies leitend für unser Denken und unser Handeln? Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Präambel der Thüringer Landesverfassung ist ausdrücklich der Willen des Souveräns festgehalten, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen. Dieser Verfassungsauftrag bedeutet in einer hoch entwickelten Industriegesellschaft vor allem, für soziale und gerechte Arbeits- und Lebensverhältnisse zu sorgen. Für die Politik ergibt sich daraus die Verpflichtung, durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen einen Interessenausgleich innerhalb der Gesellschaft herbeizuführen. Jede Bürgerin und jeder Bürger soll – unabhängig von Herkunft, Religion und körperlichen Voraussetzungen – gleichberechtigt am Leben der Gemeinschaft teilhaben können. Doch ist dies Realität? Thüringen als ein sozial gerechtes Land zu gestalten, ist nicht allein Aufgabe der Politik, sondern geht im wahrsten Sinne des Wortes alle an. Und: Diesem Verfassungsauftrag stellen sich die Sozialverbände und die Unternehmen der Sozialwirtschaft durchaus mit großem Einsatz. Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität vieler Menschen. Es gibt wohl keinen Bürger und auch keine Bürgerin in unserem Land, der oder die nicht einmal im Leben eine der vielfältigen Dienstleistungen der Sozialwirtschaft in Anspruch nähme. Von Kitas über Jugendzentren, Familienberatungen, Behinderteneinrichtungen bis zur ambulanten und stationären Pflege – diese und viele andere Dienstleistungen und Angebote ermöglichen es unseren Bürgerinnen und Bürgern, ihren Alltag zu meistern. Allein die Vielfalt dieser Angebote macht deutlich: Ohne die Sozialwirtschaft wäre es um die Lebensqualität in unserem Land bei weitem nicht so gut bestellt. Zu Recht hat die Sozialwirtschaft in unserer Gesellschaft deshalb eine Schlüsselposition inne. Ihre Angebote stehen für Zukunftsvorsorge, Sicherheit und Lebensqualität. Eine vielfältige Sozialwirtschaft liegt deshalb im vitalen Interesse von uns allen. Die Sozialwirtschaft braucht verlässliche Finanzierungsgrundlagen. Dafür hat die Politik zu sorgen. Und sie muss zukunftsfähige Rahmenbedingungen schaffen, damit die Sozialwirtschaft angesichts einer Fülle von Herausforderungen ihre Leistungsfähigkeit voll entfalten kann. Frei nach dem Sozialpsychologen Erwin Ringel bemisst sich der Wert einer Gesellschaft am Umgang mit ihren Schwächsten. Dies sollte unser Aller Handeln leiten. Im konstruktiven Dialog und auf Augenhöhe müssen Politik, Sozialwirtschaft und Sozialverbände darüber nachdenken, wie wir bspw. mit den Folgen des Fachkräftemangels umgehen, besonders in den Pflege- und Bildungsberufen. Die sozialen Berufe müssen weiter an Anerkennung und Attraktivität, also auch an finanzieller Attraktivität, gewinnen. Nur so können sie im Kampf um die knappen Arbeitskräfte bestehen. Dabei stehen steigende Löhne und Kosten stagnierenden Einnahmen aus den öffentlichen Kassen gegenüber. Hinzu kommen weitere, nicht weniger anspruchsvolle Herausforderungen. Vor allem ist die demografische Entwicklung mit all ihren Folgewirkungen aber auch mit ihren Chancen zu nennen. Mit diesem Wandel geht zum Beispiel eine längere Erwerbsarbeit einher, auf die die Menschen mit Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen vorbereitet werden müssen und die immer auch die Lebensrealitäten im Blick haben sollten. Ein differenzierter Blick wird sich hier vielfach auszahlen. Denn es ist ein riesiger Gewinn für unsere Gesellschaft, wenn wir den enormen Erfahrungsschatz und das geistige Potenzial älterer Menschen für Politik, Wirtschaft und Ehrenamt erhalten können und Alt und Jung zur Begegnung und zum von- und miteinander lernen ermutigen. Darüber hinaus verändert die demografische Entwicklung traditionelle Wohn- und Betreuungsformen, so dass wir neue Wege des Miteinanders finden müssen, um die Lebensqualität im Alter zu erhalten, ohne dabei das Selbstbestimmungsrecht und die Würde eines und einer jeden aus dem Blick zu verlieren. Mit der Zahl älterer Menschen wird aber auch eine Zunahme altersbedingter Krankheiten und der Pflegefälle einhergehen. All dies wird eine weitere Beanspruchung der Sozialsysteme und der sozialen Dienstleister zur Folge haben. Darüber müssen wir uns im Klaren sein und Lösungen finden, wie wir die Pflege – ob ambulant oder stationär – nachhaltig finanzieren. Inklusion ist derzeit in aller Munde und wird auch gern zur Polemik benutzt. Mir gefällt hier sehr gut der Ausspruch des ehemaligen Bundesbehindertenbeauftragten Hubert Hüppe, der einmal sagte: „Wer Inklusion erreichen will, sucht Wege. Wer sie verhindern will, sucht Begründungen.“ Ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam Wege suchen, die dem Leitsatz Rechnung tragen, das es normal ist, verschieden zu sein und wir nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheiden. Zudem weiß jede und jeder: Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif. Und bevor diese gelingen kann, gilt es die notwendigen sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen zu schaffen und jede Menge Barrieren in den Köpfen abzubauen. Viele weitere Themen bewegen die Sozialverbände und die Verantwortlichen in der Sozialwirtschaft. Stichwortartig erwähnt seien die Rentengerechtigkeit, die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern und die Vermeidung von Altersarmut. Der 6. Thüringer Sozialgipfel bietet den hervorragenden Anlass, im gewohnt konstruktiven Dialog zwischen Politik und Sozialverbänden diese Themen zu erörtern. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur erhalten und weiterentwickeln können – in den wirtschaftlich starken Gebieten, aber auch und gerade in den strukturschwachen Regionen. Daneben gibt uns der 6. Thüringer Sozialgipfel die Gelegenheit, die Öffentlichkeit auf die Leistungen der Sozialwirtschaft und ihren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserem Land aufmerksam zu machen. Die Bediensteten in den sozialen Berufen tragen wesentlich dazu bei, dass die Menschen ein Leben in Würde und Selbstachtung führen können. Sie arbeiten mit daran, dass jeder sein Recht auf Teilhabe am Gemeinwesen wahrnehmen kann. Damit erfüllen sie einen wichtigen Auftrag unserer Landesverfassung. Dafür möchte ich allen Menschen in den sozialen Berufen ausdrücklich und im Namen aller Abgeordneten des Thüringer Landtags danken. Ihnen, verehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Thüringer Sozialgipfels, wünsche ich nicht nur heute viele konstruktive Gespräche und gute Anregungen für Ihre weitere Arbeit. Bleiben Sie uns gewogen, legen Sie aber auch den Finger in die Wunde, da, wo es aus Ihrer Sicht noch viel zu tun gibt.
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