Thüringer bündnisgrüne Frauen zum 100. Internationalen Frauentag und zu 25 Jahre grüne Quote

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Zum 100. Internationalen Frauentag erklären Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsidentin des Bundestages), Madeleine Henfling (Landessprecherin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen), Astrid Rothe-Beinlich (Vizepräsidentin des Thüringer Landtags) und Anja Siegesmund (Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Thüringer Landtag): 100 Jahre Internationaler Frauentag sind für uns bündnisgrüne Frauen natürlich ein Grund zu feiern. Dennoch ist der Frauentag, der aus dem Streit um das Frauenwahlrecht hervor ging, auch heute Anlass auf die noch immer bestehenden Benachteiligungen von Frauen hinzuweisen und für echte Gleichstellung sowie die Hälfte der Macht zu streiten. In den letzten 100 Jahren wurde für die Gleichstellung von Mann und Frau viel erreicht. Angefangen vom Frauenwahlrecht bis hin zu modernen Familienformen haben sich Frauen in unserer Gesellschaft ihren Platz erkämpft. Dennoch: Im Jahre 2011 sind wir noch immer weit entfernt von gelebter Geschlechterdemokratie – dabei machen gleichberechtigte Teilhabe und gleiche Chancen unsere Gesellschaft maßgeblich aus. Auch wenn unser Grundgesetz die Gleichstellung von Mann und Frau schon seit 1948 vorsieht, sind Frauen mit Gewohnheiten, Gesetzen, Regeln und Strukturen konfrontiert, die sie benachteiligen und noch immer diskriminieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben früh erkannt, dass es eindeutige und konsequente Regeln braucht, um Gleichberechtigung auch und gerade in der Politik durchzusetzen. Im Mai 1996 wurde die verbindliche Mindestfrauenquote von 50 Prozent zum elementaren Bestandteil unserer Satzung. Und der Erfolg gibt uns recht. In keiner anderen Partei gibt es so viele Frauen – gleichberechtigt auf allen Ebenen – wie bei uns. Die Quote ist ein Erfolgsmodell, das selbst andere Parteien inzwischen ernsthaft diskutieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind heute mit mehr als 37 Prozent die Partei mit dem höchsten Frauenanteil. Das macht uns am glaubwürdigsten in den Debatten um Quoten in der freien Wirtschaft, in Wissenschaft und Politik. Hier bleibt für uns Thüringerinnen noch viel zu tun. Ein Blick in die Universitäten des Freistaates zeigt eine klare Benachteiligung von Frauen in Spitzenpositionen. Während die Universitäten Erfurt und Jena einen Frauenanteil von 70,9 beziehungsweise 57 Prozent bei den Studierenden aufweisen, ist bei den Professuren nur noch ein Frauenanteil von 19 beziehungsweise 11,8 Prozent zu finden. Und das bei deutlich mehr Absolventinnen als Absolventen – an der Universität Jena sind 63 Prozent derjenigen, die ihr Studium abschließen, Frauen. Auch im akademischen Mittelbau finden sich noch zwischen 43 und 56 Prozent Frauen. Die gläserne Decke verwehrt den Frauen weiterhin den Sprung in Spitzenpositionen. Wir fordern daher an Thüringer Hochschulen eine Frauenquote für Spitzenpositionen. Und: Wir halten weiter an unserer Forderung nach einer Mindestquote von 40 Prozent Frauen in Spitzenpositionen und Aufsichtsräten in der Wirtschaft fest. Denn es ist klar, dass Selbstverpflichtungserklärungen bislang an der Situation nichts geändert haben. Doch die Benachteiligung von Frauen gilt nicht nur für Spitzenpositionen. Thüringen ist Niedriglohnland Nummer eins in Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden mit durchschnittlich 14,91 Euro pro Stunde die niedrigsten Löhne im Bundesgebiet gezahlt. Von dieser Situation sind vor allem Frauen betroffen. Jede fünfte Frau in Thüringen verdient weniger als 469 Euro im Monat. Nahezu die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen im Freistaat sind prekär beschäftigt. Hinzu kommt, dass 85,6 Prozent der Teilzeitbeschäftigten in Thüringen Frauen sind. Wir fordern eine eigenständige Existenzsicherung zum Schutz vor Armut. Und: Die Thüringer Frauen werden maßgeblich von einem gesetzlichen Mindestlohn und einem Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft sowie eindeutigen Regeln im Vergabegesetz profitieren! Thüringen ist stark von Abwanderung betroffen. Im Jahr 2009 wanderten 20 782 Frauen aus Thüringen ab. Die meisten von ihnen sind gut ausgebildet und im Alter von 20 bis 30 Jahren. Der demografische Wandel in Thüringen ist in vollem Gange. Vielerorts, besonders im Bereich der Sozial- und Gesundheitswirtschaft, wird schon jetzt über einen Fachkräftemangel geklagt. Thüringen muss dafür Sorge tragen, dass gut ausgebildete Frauen hier bleiben können. Mehr qualifizierte Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung sowie ein flächendeckendes Angebot von Ganztagsschulen sind richtig und wichtig, aber sie sind noch kein Garant für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frauen wollen anders leben und arbeiten. Sie müssen die Chance bekommen, sich auch in Führungs- und Spitzenpositionen durchsetzen zu können. Während im Thüringer Landtag immer hin 39 Prozent der Abgeordneten Frauen sind, sieht es in den kommunalen Parlamenten leider schlechter aus. Es ist erfreulich, dass inzwischen 25 Prozent der Thüringer Start-Up-Unternehmen von Frauen geführt werden. Wir wollen mehr Frauen Mut machen, diesen Weg zu gehen. Wir brauchen Frauen als qualifizierte Beschäftigte, Unternehmerinnen, Wissenschaftlerinnen und engagierte Bürgerinnen hier in Thüringen. Deshalb stehen wir für konsequente Frauenförderung von Anfang an. Um dafür einen Rahmen zu geben, halten wir die Einführung eines Parité-Gesetzes für sinnvoll. Als Partei, die aus der Frauenbewegung hervor gegangen ist, stehen wir dafür, dass Frauen- und Gleichstellungspolitik selbstverständlicher Teil politischen Handelns ist. Und dazu braucht es emanzipierte Männer, die ebenfalls bereit sind, Macht und Verantwortung zu teilen.