Weltflüchtlingstag: Historische Niederlage für Rechte geflüchteter Menschen

SharePic zum Weltflüchtlingstag 2023 "Asyl ist und bleibt Menschenrecht!"

Zum Weltflüchtlingstag 2023 möchten wir einen kurzen Einblick in die Auswirkungen des EU-Asylkompromisses geben. 

Die Reform des sogenannten gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) ist kein historischer Erfolg. Der Kompromiss ist vielmehr ein Fehler.

Der aktuelle EU-Asylkompromiss auf Bundesebene stellt einen gravierenden Einschnitt in das europäische Asylrecht dar. Die Reformvorschläge hätten die Anwendung „sicherer Drittstaaten“, verpflichtende Grenzverfahren, Haftlager an den EU-Außengrenzen und eine Abkehr von inhaltlichen Schutzprüfungen der Geflüchteten in der EU zur Folge. Diese Pläne hebeln alle Grundsätze einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik aus und stehen im Widerspruch zu Kinder- und Menschenrechten sowie dem Bekenntnis der Bundesregierung im Koalitionsvertrag, jedes Asylverfahren in der EU inhaltlich zu prüfen.

Im Fall einer Einigung auf EU-Ebene hätte dies folgende Konsequenzen für geflüchtete Kinder und Jugendliche in der EU:

  • Ihre Asylanträge könnten zumeist als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen in einem außereuropäischen Land auf dem Papier gewisser Schutz gewährt werden kann. Das aber ist in einigen Ländern nur ein vermeintlicher Schutz.
  • Die Rechte der Kinder wären nicht abgesichert, ebenso wenig gäbe es die Möglichkeit der Vormundschaft noch einen Rechtsbeistand für unbegleitete Minderjährige nach ihrer Ankunft an der EU-Außengrenze.
  • Für die Dauer sogenannter „Screenings“ und Verfahren zur Alterseinschätzung wären die Minderjährigen in Haftlagern oder haftähnlichen Einrichtungen eingesperrt. Währenddessen bestehe für sie nicht die Möglichkeit ein rechtsstaatliches Prüfverfahren gegen diese Entscheidungen in die Wege zu leiten.
  • Die Rechte von Kindern und Jugendlichen würden so maßgeblich verletzt werden und eine Gefährdung ihres Wohls als schutzwürdige Gruppe darstellen.

Das Konzept der sicheren Drittstaaten ist der Kern der Einschränkung des Asylrechts. Wenn ein Staat als sicherer Drittstaat eingestuft wird, können EU-Mitgliedstaaten die Asylanträge von Menschen, die über diese Transitländer nach Europa gekommen sind, als unzulässig abweisen. Diese Zulässigkeitsprüfung soll sogar möglich sein, wenn zu Beginn bereits feststeht, dass eine Rückführung ausgeschlossen ist.

Hervorzuheben ist das sogenannte Verbindungselement, das nach der aktuellen Rechtslage vorliegen muss, damit das Konzept der sicheren Drittstaaten anwendbar ist. Leider hat die Bundesregierung auch bei diesem Element Verschlechterungen zum Status Quo zugelassen. Konkret bedeutet das für die Geflüchteten, dass sie keinen effektiven Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Annahme einer Verbindung haben. Überdies besteht die Möglichkeit das Verbindungselement in der Überarbeitung ein Jahr nach Inkrafttreten komplett zu streichen. So wäre eine sog. Ruanda-Lösung nicht mehr zu verhindern. Diese wird von Großbritannien und Dänemark bereits angewandt und beinhaltet einen Modellversuch „illegal eingereiste Migrant*innen“ in das ostafrikanische Ruanda abzuschieben. Schon jetzt finden Geflüchtete, die in Libyen misshandelt wurden, dort Zuflucht.

Als wenn dies nicht schon alarmierend genug wäre, hätten die Reformpläne zur Konsequenz, dass der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ausgehöhlt wird und das Risiko völkerrechtswidriger Kettenabschiebungen in Herkunftsländer wie Syrien und Afghanistan gefährlich größer werden würde. Denn für den effektiven Schutz durch die GFK muss diese nicht mehr ratifiziert und respektiert werden. Demnach könnte auch die Türkei als sicherer Drittstaat und Haupttransitland eingestuft werden.

Ein weiterer Verstoß gegen die GFK stellt die massive Ausweitung des sicheren Drittstaatskonzepts dar, indem nicht näher definierte Teilgebiete von Staaten als sicher eingestuft werden könne, darunter z.B. Westlibyen, Teile von Syrien und der Westukraine. Damit können die Haupttransitrouten gezielt als sicher eingestuft werden, sodass keine individuellen Fluchtgründe in den Grenzverfahren zu prüfen sind, sondern eine Abschiebung in einen oft unsicheren außereuropäischen Drittstaat im Fokus steht.

Staaten oder Teilgebiete können auch als sicher eingestuft werden, obwohl nicht alle Personengruppen sicher sind. Demzufolge wären politisch Verfolgte in Belarus nicht mehr sicher, ebenso wenig wie Angehörige der LGBTIQ+-Community in Tunesien, Marokko oder Algerien.

Diese aufgelisteten Änderungen sind aus unserer Sicht eine Katastrophe. Sie führen dazu, dass ein Großteil der Ankommenden möglicherweise kein Recht mehr auf eine inhaltliche Prüfung ihrer Asylanträge hat und somit in das verpflichtende Grenzverfahren rutschen.

 

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat Thüringen etwa 36.000 Geflüchtete aus der Ukraine und zusätzlich bereits allein in 2023 bis zu 2.100 Asylsuchende (Stand Mai) aufgenommen. Damit stehen das Land und die Kommunen vor Herausforderungen, wie der angemessenen Unterbringung, Versorgung und Integration von der Geflüchteten.

Wir Bündnisgrüne in Thüringen erleben auch, dass sich die Debatte um Asylrechtsverschärfungen immer weiter nach rechts verschiebt. Rechtsextremistische Forderungen der AfD werden salonfähig und nahezu inhaltsgleich von konservativen Politiker*innen übernommen. Das ist gefährlich für unsere Demokratie. Deswegen ist es uns wichtig zu betonen, dass wir die Ideen der Betreibung landeseigener Gemeinschaftsunterkünfte für abgelehnte Asylsuchende oder eine Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete strikt ablehnen. Es dürfen keine Ankerzentren errichtet werden, in denen Geflüchtete isoliert werden und so jede Integration verhindert wird. Eine Residenzpflicht ist überdies ein Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit gemäß Artikel 26 GFK und Artikel 33 EU-Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/98/EU) und erschwert die Wohnungssuche für Familien und den Anschluss an die Community.

Unser bündnisgrünes Ziel ist die frühzeitige Teilhabe am sozialen Leben. Denn: Integration ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft!

Ein grüner Lösungsvorschlag in Thüringen, für die Aufgaben im Migrationsbereich, ist die Errichtung des Amtes für Migration und Integration. Mit diesem sollen Zuständigkeiten  gebündelt, Verwaltungsstrukturen verändert und die Kommunen entlastet werden.

Kinder- und Menschenrechte müssen auf allen politischen Ebenen die Debatte bestimmen. Es darf nicht sein, dass der Flüchtlingsschutz aufgeweicht wird. Zulasten geflüchteter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener dürfen keine faulen Kompromisse hinsichtlich ihres Schutzes der Würde und des Wohlergehens sowie beim Recht auf Asyl als auch beim Recht auf ein faires, rechtstaatliches Verfahren gemacht werden.

 

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