Kein Verfallsdatum für die Rehabilitierung für die Opfer von politischer Verfolgung

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Die Fraktionen von CDU, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben auf grüne Initiative hin einen gemeinsamen Antrag "Kein Verfallsdatum für die Rehabilitierung von politischer Verfolgung in der DDR" in den Thüringer Landtag eingebracht.

Dazu erklärt Astrid Rothe-Beinlich, Sprecherin für Aufarbeitung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

"Bei der Erarbeitung der Gesetze zur Rehabilitierung der Opfer der SED-Diktatur Anfang der 1990er Jahre wurde eingeschätzt, dass unterschiedliche Formen politischer Verfolgung auch unterschiedlich hohe finanzielle Entschädigungs- und Unterstützungsleistungen begründen: Wer z. B. zu Unrecht inhaftiert war, hat Anspruch auf eine höhere finanzielle Unterstützungsleistungen als jemand, der politisch bedingt und fortwirkende Nachteile im Beruf hatte bzw. sogenannten Zersetzungsmaßnahmen ausgesetzt war und dadurch dauerhafte Gesundheitsschäden erlitt.

Der aktuelle Blick auf die Situation der Betroffenen zeigt jedoch, dass ehemals politisch Verfolgte der in der SBZ bzw. der DDR mehrheitlich ähnliche und grundsätzliche Probleme zu bewältigen haben, unabhängig von der Art der erlittenen Repressionen. Sie verfügen oftmals nur über ein verringertes Einkommen aus Arbeit und Rente, leiden bis heute unter gesundheitlichen Verfolgungsschäden, insbesondere psychischer Art, und damit verbundenen Problemen bei gesellschaftlicher Integration und Teilhabe. Für Rehabilitierte nach allen drei Gesetzen der SED-Unrechtsbereinigungsgesetzgebung wirken die Folgen der politischen Verfolgung nämlich in den meisten Fällen unmittelbar schwer und unzumutbar fort. Sie verfügen überwiegend und insbesondere im Alter über ein geringes Einkommen, das – wie die Thüringer Sozialstudie von 2008 belegt – in über 30 Prozent der Fälle unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt."

Darüber hinaus sind die Antragsfristen für Entschädigungen nach den Gesetzen zeitlich beschränkt bzw. teilweise abgelaufen. "Diese Zeitschranke bringt zusätzlichen psychischen Druck für die Betroffenen", so Astrid Rothe-Beinlich.

Mit dem gemeinsamen Antrag stellen sich die demokratischen vier Fraktionen im Thüringer Landtag gemeinsam diesem Problemfeld. Hauptpunkt ist demzufolge die Aufforderung an die Landesregierung, mit einer Bundesratsinitiative auf eine Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze hinzuwirken. Die Ziele dabei sind:
 
- Die Ende 2019 auslaufenden Gesetzt mindestens um 10 Jahre, besser unbefristet, zu verlängern.
- den Zugang zu monatlichen Unterstützungsleistungen zu verbessern und bisher nicht berücksichtigte Opfergruppen zu berücksichtigen und
- die Beweiserleichterung für alle Betroffenen deutlich zu erleichtern und bundesweit zu vereinheitlichen

"Aufarbeitung und Rehabilitierung brauchen Zeit, jeder Einzelfall braucht seine/ihre individuelle Zeit. Meist ist der Eintritt in das Rentenalter der Anlass, sich um die nach den Rehabilitierungsgesetzen zustehenden Rechte zu kümmern. Dem stehen bisherige Fristen bzw. das Auslaufen der Gesetze entgegen.
Der vorliegende Antrag kann daher auch in der viel zu oft prekären finanziellen Lage der Betroffenen Abhilfe schaffen. Ich hoffe daher auf große Zustimmung im Landtag", so die grüne Landtagsabgeordnete.

Astrid Rothe-Beinlich verweist zudem darauf, dass Thüringen im Jahr 2018 mit ca. 30 Mio Euro aus dem ehemaligen SED-Vermögen rechnen darf, die noch nicht im anstehenden Haushalt eingepreist sind.

"Diese Gelder sollten wir konsequent auch für Aufarbeitung nutzen. Derzeit läuft auf Bundesebene ja auch die Debatte um die künftige Aktenlagerung der MfS-Akten. Der Bund will die Aktenarchivierung an einem Standort je Land konzentrieren und übernimmt dafür auch die Finanzierung. Uns scheint dafür Sul der geeignete Standport. Unser Vorschlag wäre, dass die nun Thüringen zur Verfügung stehenden 30 Mio. zumindest teilweise in die dezentrale Aufarbeitungslandschafts Thüringen fließen. So könnte man beispielsweise die Bildungs- und Gedenkstätten in Erfurt und Gera mit Servicestellen ausstatten, in denen künftig Anträge auf Akteneinsicht gestellt werden. Weiterhin könnten die Freilaufzelle in Suhl dauerhaft gesichert und Demokratiebildung mit Schwerpunkt Aufarbeitung gestärkt werden", schließt Rothe-Beinlich.

 

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