Grenze erFAHRen 2016

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Unter der Bahnbrücke im Höllental

Bereits zum siebten Mal lud die grüne Landtagsfraktion in Kooperation mit dem DAKT e.V. zur GrenzerFAHRung am heutigen Grünen Band mit dem Fahrrad ein. Und selten war das Wortspiel angebrachter als für die diesjährige Tour durch Thüringer Schiefergebirge und Frankenwald. Die rund 140 km waren gespickt mit zahlreichen Anstiegen und Abfahrten, die die rund 30 Radlerinnen und Radler, vom Profisportler über die Alltagsradlerin bis zum Gelegenheitsradler, vor größere Herausforderungen stellte. Unsere Tour begann mit einem bequemen Busshuttle von Erfurt und Weimar bis zum Drei-Freistaaten-Stein.

Die erste Station bot Gelegenheit, über den Anlass der jährlichen Fahrt rund um den 13. August nachzudenken: Durch das Dörfchen Mödlareuth zog sich eine Mauer ähnlich der Berliner; heute befindet sich im Ort das deutsch-deutsche Museum. Einige der Grenzanlagen sind erhalten und lassen erahnen, in welche Richtung die Sperranlagen gerichtet waren: hauptsächlich nach innen. Nicht zufällig findet die Tour immer um den 13. August statt, um an den Bau der Mauer, der Befestigung der innerdeutschen Grenze, und vor allem die vielen Maueropfer zu erinnern. "Allerdings ist es auch immer nötig, festzuhalten, dass es ohne die Herrschaft und Gräuel der Nazis zu keiner innerdeutschen Grenze gekommen wäre. Diese ist eine Folge des von Deutschland ausgehenden 2. Weltkrieges", betont die radfahrbegeisterte Astrid Rothe-Beinlich. Sie und Roberto Kobelt gehörten zu den Veranstaltern der Tour in diesem Jahr.

Nach Besichtigung der Grenzanlagen in Mödlareuth führte die Tour via Hirschberg über die Saale nach Berg, einem Ort, der seinem Namen alle Ehre machte, via Issigau mit einem kleinen Schloss und weiter ins Fränkische bis nach Naila. Dies keineswegs zufällig, markiert doch Naila mit seinem Ortsteil Marxgrün das südliche Ende des Höllentales. Abgesehen davon, dass dies ein wunderschönes Tal ist, wesentlich durch die Selbitz geprägt, ist es vor allem bekannt durch die gleichnamige Bahnstrecke, genauer – war. Zu Geschichte und Hintergründen der Bahn, 5 km auf bayerischem und 500 m auf thüringischem Gebiet, sprachen wir mit dem Vorsitzenden der Initiative Höllentalbahn. So stellt sich beispielsweise die Frage, warum die bayerische Landesregierung und manche der Gemeinden um Naila und Hof gegen den Wiederaufbau der Strecke sind – obwohl der ökologische (ca. 12.000 LKW-Fahrten auf die Schiene) und wirtschaftliche Nutzen klar darstellbar ist.

Die erste Etappe des zweiten Tages der Tour am Samstag endete in Blankenstein am thüringischen Ende des Höllentales im Gespräch mit Ralf Kalich, Landtagsabgeordnetenkollege und ehemaliger Bürgermeister von Blankenstein. Er erläuterte, dass der ökonomische Nutzen der Höllentalbahn eben vor allem bei der Zellstofffabrik in Blankenstein liegen würde und daher die bayerische Seite wenig Interesse zeige … somit noch viel Überzeugungsarbeit für Verkehrspolitiker*innen warte. Auch berichtete Kalich, selbst ehemaliger Offizier der Grenztruppen der ehemaligen DDR, differenziert und reflektiert vom Grenzregime in der Region. Vom Bahnhof Blankenstein ging es in einem langen Aufstieg, dem Rennsteig folgend, auf den Kamm, sodann unweit davon zum Altvaterturm auf den Wetzstein. Die zweite Etappe endete dann nahe Lehesten, unweit der Deutschen Dachdeckerschule, vor den Toren der Gedenkstätte Laura bei Schmiedebach. Carsten Meyer, Initiator der ersten fünf Touren und heute Mitinitiator als Vorsitzender der grünnahen kommunalpolitischen Vereinigung DAKT e.V., erläuterte die Geschichte der Oertelschen Schiefersteinbrüche um Lehesten sowie die Geschichte des Außenlagers von Buchenwald. Hier wurde zuletzt kriegswichtiger Treibstoff unterirdisch hergestellt.

Die Abfahrt in das Tal der Loquitz nach Probstzella führte an einer Mühle vorbei, die durch die innerdeutsche Grenze von ihren Nebengebäuden abgeschnitten wurde. Probstzella, so berichtete es der Inhaber des „Haus des Volkes“, sei der Ort in Deutschland mit den meisten von Bauhäuslern errichteten Gebäuden. Allein die Geschichte des Bauherren des Hotels „Haus des Volkes“, Franz Itting, eingesperrt von den Nazis und später wieder in der ehem. DDR, ist so spannend, dass sich eine Reise nach Probstzella lohnt. Nach der Vertreibung aus der DDR ging Itting ins benachbarte Ludwigsstadt, um erneut Firmen aufzubauen und u.a. die Thüringer Warte zu errichten.

Zu dem Turm führte uns die erste Etappe am dritten Tag der Tour. Der Anstieg aus dem Loquitztal von 420 Höhenmetern auf den Ratzenberg mit der Warte auf 678 Höhenmetern, auf rund 4 Kilometern war eine harte Prüfung für alle Radler*innen, interessierte Blicke der Anwohner*innen begleiteten uns.Es sollte nicht die letzte Prüfung sein – es folgten Waldwege und ca. 2 km auf dem Kolonnenweg, also dem Weg, den die DDR-Grenzposten befahren haben. Unsere letzte Etappe endete wieder auf dem Rennsteig, an der Frankenwaldhütte, und mit einem zünftigen Abschlusspicknick. Mit einer Schussfahrt über viele Kilometer zum Bahnhof Pressig-Rothenkirchen und einer verdient entspannten Bahnfahrt nach Erfurt, Weimar, Eisenach oder zum Beispiel Darmstadt endete die diesjährige GrenzerFAHRung.

Der Dank der Teilnehmer*innen geht an Thomas Blankenburg, der im Auftrag von Landtagsfraktion und DAKT e.V. die Tour organisierte. Und wir sagen schon jetzt: Weiter geht’s 2017. Auf zur achten GrenzerFAHRung.