Abschiebungshaft abschaffen, EU-Rückführungsrichtlinie umsetzen

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Der vorstehende Antrag wurde wortgleich am 11. Januar 2011 von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD im Niedersächsischen Landtag eingebracht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wiederholt betont, dass die Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz [GG]) ein besonders hohes Rechtsgut ist, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Der in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gewährleistet in Verbindung mit dem Grundrecht aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2000, 2 BvR 347/00). Wiederholt musste das BVerfG in Fällen von Abschiebungshaft - auch aus Thüringen - korrigierend eingreifen, etwa bei rechtswidrigen Festnahmen durch die Ausländerbehörden ohne richterlichen Haftbeschluss oder weil die richterliche Kontrolle formularmäßiger Anträge der Ausländerbehörden dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht gerecht wird. Noch immer wird Abschiebungshaft zu schnell, zu häufig und zu lange beantragt und verhängt (vgl. Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz Nummer 84 vom März 2006, "Denkt an die Gefangenen …", S. 67). Die Deutsche Bischofskonferenz kommt daher zu dem Schluss: "Die Bedingungen, unter denen zur Zeit Abschiebungshaft praktiziert wird, müssen dringend überprüft und verbessert werden". (ebd.) Auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP auf Bundesebene wurde vereinbart, "gemeinsam mit den Ländern" zu "überprüfen, ob - auch im Lichte der Vorgaben der EU-Rückführungsrichtlinie - Anpassungen im praktischen Vollzug der Abschiebung und Abschiebungshaft sinnvoll sind". Erkennbar geschehen ist bisher nichts. Die jüngsten Todesfälle - wie in der Abschiebungshaft in Langenhagen in Niedersachsen - haben den dringenden politischen Handlungsbedarf wieder auf tragische Weise verdeutlicht. Der vorliegende Antrag greift daher Forderungen der Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Abschiebungshaft auf. Menschen in der Abschiebungshaft leiden unter den teilweise langen Haftzeiten und der Ungewissheit über ihre Zukunft. Nicht zuletzt wegen ihrer Sprachprobleme und der Aufteilung der gerichtlichen Zuständigkeit zwischen den Zivilgerichten und den Verwaltungsgerichten haben Abschiebungshäftlinge auch erhebliche Schwierigkeiten, das komplizierte Ausländer- und Haftrecht zu verstehen. Sie begreifen deshalb oft nicht, weshalb sie sich in Haft befinden bzw. warum sie abgeschoben werden sollen. Viele Häftlinge werden krank an Leib und Seele, manche von ihnen verzweifeln und verletzen sich selbst oder versuchen gar, sich selbst zu töten. Bis zum 24. Dezember 2010 hätte die Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) in nationales Recht transformiert werden müssen. Dies muss jetzt schnellstens in einer Weise geschehen, die die Würde der Betroffenen achtet und die einschneidenden Wirkungen der Haft auf ein Minimum reduziert. Anregungen, wie diese Mindeststandards unter Wahrung der Menschenrechte der Betroffenen umgesetzt werden können, geben u. a. die "Twenty Guidelines on Forced Return" des Europarates vom September 2005 sowie die Resolution 1707 (2010) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 28. Januar 2010. Der vollständige Antrag ist als pdf-Datei auf dieser Seite einsehbar.
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