Gutachten: Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gesetzlicher Paritéregelungen für die Kommunal- und Landtagswahlen in Thüringen

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Ausgabe Monat
6
Ausgabe Jahr
2014

Ein Plädoyer für die Hälfte der Macht und der Verantwortung!

Gleichberechtigung für Frauen war und ist keine Selbstverständlichkeit. Dies trifft leider auch auf den Freistaat Thüringen zu. So sind Frauen auf allen Ebenen massiv unterrepräsentiert. Der Frauenanteil bei den Mandaten in den kommunalen Vertretungen Thüringens betrug im Jahr 2011 gerade einmal 23 Prozent, und lag damit noch unter dem ohnehin geringen Bundesdurchschnitt von 26 Prozent. Die Anzahl der Oberbürgermeisterinnen und Bürgermeisterinnen ist ebenfalls überschaubar. Nur etwa ein Achtel dieser Positionen sind mit Frauen besetzt. Im Landtag setzt sich diese Unterrepräsentanz fort. Nur 35 von 88 der derzeitigen Abgeordneten im Thüringer Landtag sind weiblich. Von Gleichberechtigung und paritätischer Besetzung in der Politik fehlt leider weit und breit jede Spur. Diese Realität steht im krassen Gegensatz zu Grundgesetz und Thüringer Verfassung. In Artikel 2 der Thüringer Verfassung ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern garantiert. Artikel 9 der Thüringer Verfassung schreibt fest, dass jeder das Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens im Freistaat hat. Zudem werden das Land, seine Gebietskörperschaften und die Verwaltung explizit aufgefordert, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern. Doch was ist in den letzten Jahren getan worden, um den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen? Die traurige Antwort lautet: Leider so gut wie nichts! Auch das novellierte Gleichstellungsgesetz hat mitnichten zu spürbaren Verbesserungen beigetragen. Andere Länder finden sich mit der Unterrepräsentanz von Frauen jedoch nicht so einfach ab. Im Gegenteil, sie haben gesetzlich entgegengesteuert, so wie Frankreich im Jahr 2000. Dort wurde das «Gesetz über den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und auf Wahl beruhenden Ämtern» verabschiedet. Dieses Gesetz, welches auch als Paritégesetz bezeichnet wird, legt fest, dass alle KandidatInnenlisten der Parteien paritätisch besetzt sein müssen und zusätzlich auch bei DirektkandidatInnen von Parteien, die in mehr als 50 Wahlkreisen antreten, maximal ein Unterschied von 2 % bestehen darf. Wir wollten wissen, ob dieser paritätische Wahlrechtsgrundsatz auch auf Thüringen übertragbar ist. Die Landesregierung Thüringens hat dies bisher immer mit verfassungsrechtlichen Bedenken verneint. Wir haben diese vermeintlich formalrechtlichen Ausflüchte immer bezweifelt und aus diesem Anlass ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um prüfen zu lassen, ob gesetzliche Paritéregelungen verfassungsrechtlich in Thüringen zulässig sind. Prof. Dr. Silke Laskowski hat in dem Ihnen nun hiermit vorliegenden Gutachten konkrete Vorschläge erarbeitet, mit welchen verfassungsrechtlich zulässigen landesrechtlichen Änderungen der Frauenanteil in der Politik erhöht werden kann. Das Gutachten berücksichtigt dabei die aktuellste europäische und deutsche Rechtsprechung und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Gesetzliche Paritéregelungen für Kandidatenvorschlagslisten sind zulässig. Wir können also die Rahmenbedingungen dafür schaffen, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen in der Politik zu befördern. Wir müssen es nur tun, lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und hoffe auf entsprechende fraktionsübergreifende Gesetzesinitiativen in der nächsten Legislatur. Packen wir es an!

Ihre Astrid Rothe-Beinlich