Nie wieder Wegschauen – 20 Jahre Rostock-Lichtenhagen mahnen

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Astrid Rothe-Beinlich zeigt damals wie heute vor Ort Gesicht In dieser Woche jährt sich zum 20. Mal der Pogrom von Rostock-Lichtenhagen.

„Auch 20 Jahre nach den rassistischen Übergriffen in Rostock-Lichtenhagen bleibt noch viel zu tun. Alltagsrassismus ist leider nach wie vor, auch in Thüringen, an der Tagesordnung und Übergriffe finden verbal wie physisch immer wieder statt“, gibt Astrid Rothe-Beinlich, Vizepräsidentin des Thüringer Landtags zu bedenken. Vor 20 Jahren ereigneten sich die schwersten rassistischen Ausschreitungen der Nachkriegszeit.

Mehrere Tage lang randalierten hunderte Neonazis, angefeuert von einem Mob von bis zu 3000 Bürgerinnen und Bürgern. Über den gesamten Zeitraum waren Politik und Sicherheitsbehörden nicht in der Lage, das angegriffene Wohnheim für vietnamesische GastarbeiterInnen und die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge zu schützen.

Dazu erklärt Astrid Rothe-Beinlich, die damals wie heute vor Ort in Rostock Gesicht zeigt und in der Folge mit vielen anderen, auch in Erfurt, sogenannte Bürgerwachen in den Wohnheimen der VertragsarbeiterInnen organisierte, um diesen Sicherheit zu geben: „Noch heute bin ich entsetzt über das Ausmaß, die Gewaltbereitschaft und vor allem über das Versagen der Sicherheitsbehörden vor 20 Jahren in Rostock-Lichtenhagen. Besonders erschreckend war und ist die damals breite Zustimmung der sog. Mitte der Gesellschaft zu den Übergriffen auf die vietnamesischen GastarbeiterInnen und die Asylsuchenden in Form von einem Mob, bestehend aus bis zu 3000 Bürgerinnen und Bürgern, die die Neonazis anfeuerten. Dass dieser Pogrom am Ende nicht in Solidarität mit den Opfern mündete, sondern die Stimmung in der Gesellschaft durch die Bundesregierung genutzt wurde, um den sogenannten ‚Asylkompromiss‘ durchzusetzen, der das durch das Grundgesetz abgesicherte Recht auf Asyl faktisch abschaffte, zeigt zudem die Gesinnung der damals politisch Verantwortlichen, die damit rassistische Ressentiments nach dem Motto ‚Das Boot ist voll‘ bediente. Diesen bitteren Vorwurf muss sich die damalige Regierung gefallen lassen.“

20 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen haben wir es auch in Thüringen noch immer mit Alltagsrassismus, rechter Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu tun. Und nach wie vor fehlt es an Menschen in Politik und Gesellschaft, die diesen Tendenzen klar und entschlossen entgegentreten.

„Noch immer werden engagierte Frauen und Männer kriminalisiert, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus zur Wehr setzen. Noch immer werden Asylsuchende wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Noch immer erleben wir rassistische Übergriffe, bei denen die Polizei keinen politischen Hintergrund oder Handlungsbedarf sieht“, so die Grünenpolitikerin.

„Es bedarf hier wesentlich mehr als gut gemeinte Symbolpolitik. Die Stärkung und Unterstützung der Zivilgesellschaft und die Sensibilisierung von Polizei und Justiz in Bezug auf rechtsextreme Gewalt sind hierbei entscheidende Maßnahmen. Opfer rassistischer und rechter Gewalt brauchen adäquate Beratungsstellen, die kontinuierlich und professionell Hilfe leisten können. Das Problem heißt Rassismus und findet sich nicht nur an nebulösen gesellschaftlichen Rändern, sondern mitten unter uns“, so Rothe-Beinlich weiter.

Die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen mahnen uns, nie wieder wegzuschauen. Die grüne Rechtsextremismuskommission tagt deshalb morgen in Rostock. Astrid Rothe-Beinlich wird dort gemeinsam mit Dr. Esther Lehnert einen Vortrag zu Frauen in der rechten Szene halten. Außerdem nimmt Astrid Rothe-Beinlich u.a. mit den grünen Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir in der Mecklenburger Allee 18 in Rostock-Lichtenhagen vor dem Sonnenblumenhaus ab 13 Uhr an einer Gedenkveranstaltung mit langer Tafel teil.