Der Untersuchungsausschuss zur Arbeit der Treuhand in Thüringen hat mit der Sitzung am Dienstag, 8. November, seine Facharbeit fortgesetzt.
„Die drei Experten aus der Transformationsforschung, der Politik und der Wirtschaftswissenschaft gaben Einblicke in Entstehungsgeschichte und Fortwirken der Treuhand bis heute und vervollständigten daher das Bild von der Anstalt“, erläutert Olaf Müller, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses.
Der Soziologe und Transformationsforscher Prof. Dr. Raj Kollmorgen richtete den Blick auf die weltweiten Rahmenbedingungen seinerzeit (Neoliberalismus) sowie die Auswirkungen der Tätigkeit der Treuhandanstalt bis heute. Er verwies ebenfalls auf den in Ostdeutschland teilweise bis heute geltenden Eindruck von einem Goldenen Westen und die damit verbundene Erwartungslage. Der Westen sei aber nicht nur Blankenese, sondern auch Bottrop. Die Enttäuschung ziehe sich in Wellen durch und zeige sich ebenso in schwankenden Wahlergebnissen bis hin zum Rechtspopulismus.
Der Philosoph Prof. Dr. Richard Schröder war, als Mitglied der 1. freigewählten Volkskammer, früh mit der Arbeit der Treuhand in Kontakt. In seiner Betrachtung der Entstehungszeit der Anstalt stellte er besonders heraus, dass die zu frühe Währungsunion zu einer regelrechten Vernichtung der Rentabilität der Wirtschaft Ostdeutschlands führte. Die Treuhandanstalt habe aber insgesamt gute Arbeit geleistet und Auswüchse wie in anderen Ostblockstaaten, wie Oligarchen, verhindert.
Volkswirtschaftler PD Dr. Michael Wyrwich stellte Ergebnisse eines Forschungsprojektes vor, das vor allem Selbständigkeit in West- und Ostdeutschland betrachtete. Der Effekt des Sozialismus sei mit dem Niedergang des Unternehmertums bis 1989 klar erkennbar. Spätestens 2002 überholte der Osten aber den Westen bei der Selbständigkeitsquote. Der Osten Deutschlands ist reich an Unternehmer*innengeist, viele Betriebe seien aber eher kleiner. Allerdings lässt sich anhand der Zahl der Patente zeigen, dass der Westen den Osten ab Mitte der 90er Jahre zunehmend abhängt. Das sei auch ein Ergebnis der Arbeit der Treuhand: die Forschungsabteilungen wurden als erstes geschlossen, viele Entwickler*innen wanderten aus dem Osten Deutschlands ab.
„In der nächsten Sitzung am 13. Dezember erwartet der Ausschuss neben Experten erste Zeitzeug*innen aus der Modrow-Regierung und der Treuhandanstalt selber“, äußert sich Olaf Müller abschließend.